Interview mit Thomas-Gabriel Rüdiger

Thomas-Gabriel Rüdiger ist Kriminologe und Experte für Cyberkriminalität.

Wie unterscheidet sich die Gefährdung im digitalen Raum von der physischen Kriminalität? Wie beurteilen Sie die gesamt-gesellschaftliche Gefährdung durch Cyberkriminalität?

Es gibt kaum eine Kriminalitätsform – wobei ich hier unser nationales Recht als Maßstab nehme – die nicht auch eine Äquivalenz im digitalen Raum hat.

Denkbar sind sogar Morde, die rein digital ausgeführt werden.

Digitale Morde – wie das?

So könnte beispielsweise ein autonomes Auto oder Drohne gehackt und gegen einen Menschen eingesetzt werden.

Es gibt keine rein „digitale Kriminalität“?

Doch. Es gibt auch ganz spezifische digitale Delikte – wie beispielhaft DDos Angriffe – sog. Überlastungsangriffe. Oder auch allgemein das Eindringen in fremde Computersysteme, die keinen Vergleich im physischen Raum haben.

Welches Thema liegt Ihnen, als Experte für Cyberkriminalität, besonders am Herzen?

Ich persönlich meine, dass vor allem das Problem der grenzüberschreitenden Interaktion zwischen allen Altersklassen viel zu wenig thematisiert wird.

Wie meinen Sie das „Problem der grenzüberschreitenden Interaktion zwischen allen Altersklassen“? Was muss ich mir darunter vorstellen?

Damit meine ich, dass die meisten Eltern sich umschauen würden, wenn auf der Straße oder auf dem Spielplatz ein fremder Mann zu den eigenen Kindern geht und fragen würde, ob diese mit zu ihm nach Hause spielen kommen wollen.

Im Netz passiert genau dies in allen Formen von sozialen Medien – vor allem auch in Onlinegames – ohne, dass es eine gesellschaftliche Debatte über diesen Umstand gibt.

Es ist offenbar wichtiger, dass man ohne Kontrollmechanismen alle Formen von sozialen Medien, auch wenn diese von Kindern besucht werden, nutzen kann.

Wie stehen Sie zu der Debatte um die Medienbildung an unseren Schulen?

Mich wundert gegenwärtig ein Aspekt. Wir als Gesellschaft sagen, dass Kinder unbedingt Medienbildung erhalten müssen, was die entsprechende Debatte zur Medienbildung an Schulen verdeutlicht. Dies, da sie sonst nicht fit für den zukünftigen Arbeitsmarkt sind.

Gleichzeitig ist die Debatte wie  dann dieser digitale Raum auch für Kinder sicher gemacht werden kann – noch nett ausgedrückt – absolut verhalten.

Ganz zu schweigen von der Frage wie das international geregelt werden könnte.

Ihre persönliche Zukunftsprognose – ist die eher positiv oder negativ besetzt?

Letztlich gibt es in der Kriminologie keine richtige positive oder negative Situation.

Wir wissen, dass es nie eine Gesellschaft geben kann ohne Kriminalität oder etwas Ähnlichem.

Das gilt auch für eine digitalisierte Gesellschaft. Daher entwickelt sich Kriminalität und auch die Reaktionen darauf immer weiter.

Was uns heute als nicht wünschenswert erscheint, kann in 30 Jahren eine Selbstverständlichkeit und gesellschaftlicher Konsens sein.

Dennoch muss man feststellen, dass die Schutzmechanismen immer hinter der Kriminalitätsentwicklung herhinken.

Das bedeutet aber auch, dass es Opfer gibt, die unnötig viktimisiert werden bzw. Gruppen gibt, die besonders vulnerabel sind.

So, wie gegenwärtig im digitalen Raum Kinder besonders gefährdet sind?

Ja. Wichtig erscheint es mir daher, dass die Gesellschaft die jetzigen Entwicklungsprozesse und Tendenzen für die Zukunft ernsthaft diskutiert und  die entsprechenden Schritte einleitet, um die Auswirkungen zu minimieren.

Was empfehlen Sie für die Sicherheit im Netz?

Man könnte sich an der Struktur des Straßenverkehrs orientieren. Bedeutet, jeder sollte die Regeln kennen und Eltern müssen Vorbild für ihr Kinder sein und diese an ihre Kinder weitergeben.

Die Regeln könnten in Bildungseinrichtungen vertieft werden. Da jeder Mensch jederzeit bereit ist, Regeln zu brechen, sollte – in Analogie zum Straßenverkehr – ein sichtbare Polizeistreifen im Netz vorhanden sein. Gesetze, die nicht durchgesetzt werden, haben leider keinen Effekt.

Schon Abraham Lincoln wusste das „law without Enforcement, just good advice“ ist.

 

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