Illustration Angela Smets, Text Sylvia Rieburg-Ganns
Warum wir Zukunftsvisionen sammeln? Das kannst Du hier erfahren!
Ich seufze – es fühlt sich wundervoll an.
Mit beiden Händen grabe ich in einer warmen, schlickigen Masse aus Matsch, welche aus einer Mischung von Sand, Ton und feiner Erde besteht. Ich sitze drin.Sozusagen in der Patsche.Und ich genieße es.
Fasziniert schaue ich, wie die Matsche durch meine Finger quillt, das könnte ich stundenlang tun. Ich bestreiche meinen Körper und mein Gesicht damit und fühle mich sehr wohl bei dieser Erdung. Jetzt weiß ich, wie sich Schweine fühlen, wenn sie sich suhlen.
Mit mir sind weitere Männer und Frauen in dem Matschraum
Diese matschen ebenfalls und stoße wohlig kehlige Laute aus. Die warme Pampe umhüllt meinen Körper und ich lache wie ein Kind, als ich die verschmierten Gesichter meiner Nachbarn sehe.
Gleich darf ich ins warme, salzige Wasser des Floatingraums hüpfen
Hier werde von weichen Frauen- und Männerhänden liebevoll gehalten und hin und her geschaukelt. Ich schwebe dabei gewichtslos wie im Mutterleib und Ruhe tanzt um meine Schläfen.
Ich bin Rosalie Rabenhorst, die erste Reporterin, die das alles hier ausprobieren und darüber berichten darf.
Für diese Reportage recherchiere ich hier, in diesem speziellen Anti-Aggressionscamp, welches den Namen „Friedmonien“ trägt.
Solche Camps gibt es seit 2 Jahren in jeder Stadt der Welt
Zuerst waren diese noch geheim. Aber nun, da die Ergebnisse so eindeutig erfolgreich sind, hat der Weltenrat beschlossen, alle der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Durch mich erfährt die Welt von diesen Institutionen. Das macht mich stolz!
Nach Friedmonien kommen alle Menschen, deren Aggressionspotential hoch ist und die Konflikte durch Gewalt lösen. Diese Personen werden durch Drohnen mit speziellen Scannern aufgespürt. „Kommen diese Leute freiwillig?“ frage ich Frau Dr. Felizitas Wildlife, die Leiterin des Camps. Sie sieht nicht aus wie eine Ärztin, mit ihrer roten Lockenmähne, den lila lackierten Fingernägeln und ihren warmen, liebevollen und interessierte Augen.
„Ja“, sagt sie, „sie kommen mit, weil die Drohne sie mit einer Spezialflüssigkeit besprüht, die sie für einige Stunden willenlos macht. Du weißt, dass es unser gemeinsames Ziel für die Welt ist, die Aggressionen komplett zu vernichten, damit es keine Kriege und keine Gewalt mehr gibt, daher ist uns dieses Mittel erlaubt.“
„Ja, das weiß ich und ich habe mich schon immer gefragt, warum manche Menschen so aggressiv sind. Tatsächlich erschreckt mich Aggressivität sehr und lähmt mich, wenn ich sie bei Menschen erlebe.“ seufze ich.„Das geht vielen Menschen so,“ lächelt Felicitas.
Aggressive Menschen haben in ihrer Kindheit keine oder zu wenig Liebe erfahren
Meist wuchsen sie in schwierigen Verhältnissen auf und waren schon als Kinder sich selbst überlassen. Ihnen fehlt die Erkenntnis, dass sie wertvoll sind. Sie spüren oft ihren Körper nicht und können ihre Gefühle nicht einordnen, dadurch sind sie instabil und impulsgesteuert. Das ist die Theorie. Hier in Friedmonien geben wir diesen Menschen die Möglichkeit alles nachzuholen, was sie in der Kindheit nicht bekommen haben, so wie sie es brauchen und solange sie es wollen.
Die Liebe der Kindheit nachträglich geben: Das nennen das wir Nachnähren
Mit unserer Methodik setzen wir alles ein, was Menschen entspannt und glücklich macht. Das ist viel, wie Du noch bemerken wirst. Zu den verschiedenen Therapien bekommen die Menschen hier jeden Tag einen besonderen Kräuter-Hexen-Saft, der beruhigend und entspannend auf das limbische System wirkt.
Die verschiedenen Stationen von „Friedmonien“
Ich bin ganz kribbelig vor Neugier, dieses Konzept kennenzulernen und auch noch alles selbst ausprobieren zu dürfen. Auch ängstlich bin ich, denn ich weiß ja nicht, was mich erwartet. Die erste Station, der Matschraum, war auf alle Fälle ein guter Anfang!
Nachdem ich aus dem Floatingraum komme, werde ich in den Kuschelraum geführt
Dort ist es dämmrig. Überall liegen Frauen und Männer mit Kuschel- Experten, die diese im Arm halten und sie streicheln. Ich frage mich ob ich das kann – mich einem fremden Menschen auf diese Weise anzuvertrauen?
Felicitas gibt mir einen Schubs, sie spürt mein Zögern: „Nur Mut! Lass dich fallen und schalte deinen Verstand aus!“ Ich tue es und suche mir eine Frau. Sie berührt sanft meinen Körper, streichelt mich mit ihren Reiki-Händen und jede Faser meines Körpers, jede Zelle, jeder Hautfetzen seufzt wohlig und versinkt in Ruhe.Ich würde ja zu gerne noch bleiben, aber Felicitas zieht mich sanft hoch.
Im Traumfängerraum
Mich empfangen schamanische Trommelschläge, ich sinke zu Boden und gerate fast unmittelbar in Trance. Dabei träume ich den schönsten Traum meines Lebens, voller bunter Töne, voll jubelnder Farben und paradiesischer Orte.
Glück hüllt mich ein wie ein Spinnennetz, ich fange Blitzsterne und tanze im Wind
Ganz plötzlich ist es wieder vorbei, weil Felicitas mich in den nächsten Raum schickt. Hier wird es jetzt ein etwas gemein, ich werde aus riesigen Dosen mit einem weißen Pulver bestreut. „Ey, warum das?“ rufe ich Felicitas zu.
Der Konfliktreiniger für empathische Kommunikation
„Das Pulver hilft, dass du nie mehr Menschen bei Auseinandersetzungen beleidigst oder verletzt, sondern die richtigen Worte wählst.“ erklärt die Ärztin. Ich huste den letzten weißen Staub aus, welcher seltsamerweise ein bisschen nach Rübenkraut schmeckt.
Im Flüsterraum
„Was erwartete mich noch?“ frage ich mich als ich die Dunkelheit des Flüsterraums betrete. Ich selbst stehe in einem Lichtkegel und Stimmen flüstern mir unablässig zu: „Du bist schön, du bist klug, du kannst alles, du schaffst alles, du bist liebevoll!“ Ich kann mir nicht alles merken, was sie sagen, aber ich spüre, wie gut mir diese Worte tun. Es kribbelt und ich merke, wie mir Tränen in meine Augen schießen. „Weine ruhig! Lass die Tränen laufen“, höre ich die Stimme von Felicitas sagen. „Tränen sind die beste Lösung für alte Wunden.“
Der Raum der Farben und der Raum der Klänge
Als ich mich wieder gefangen habe, zeigt mir meine Gastgeberin den Farbenraum und den Klangraum. „Menschen sind kreative Wesen, Musik und Farben versetzen uns in energetische Schwingungen, sie streicheln die Seele, öffnen das Herz und wirken entspannend auf die Gehirnaktivitäten.“ erläutert sie. Es gibt noch einen Meditationsraum. All dies dient dazu, die Gehirnwellen zu verlangsamen und Alpha- und Thetawellen zu erzeugen. Diese Räume werde ich aber erst morgen erkunden, um mich nicht zu überfordern.
Während wir von einem Raum zum anderen laufen, sehe ich auf den Fluren dazwischen Menschen, über die ich zuerst in Lachen ausbrechen wollte
Ich kann mich gerade noch beherrschen, aber Felicitas hat mich durchschaut: „Du wunderst dich, warum hier Menschen im Schlafanzug mit Schnuller im Mund oder mit Stofftieren oder mit Schmusetüchern herumlaufen?“ „Das gehört mit zu unserem Heilerfolg. Alle, die es wollen, dürfen sich hier vollständig in ihre Kindheit zurückfallen lassen.“ fügt sie an.
Wir gehen weiter zum Spiel- und Toberaum
„Du wirst dich wundern, was da mit dir passiert.“ prophezeit meine Begleiterin. Zwar wundere ich mich schon nicht mehr, aber wer weiß? Tatsache ist, dass ich das Gefühl habe, immer jünger, ungebärdiger, fröhlicher und dynamischer zu sein. Wie damals, als ich noch ein Kind war.
Ganz bei mir und in der Gegenwart
Die Ärztin öffnet die Tür, ein ohrenbetäubender Lärm bringt meine Ohren zum Klingeln. ich Ich sehe ein Durcheinander von laufenden, springenden, lachenden und kreischenden Männern und Frauen in bunten Harlekinanzügen, welche auf Rutschen rutschen, auf Schaukeln schaukeln. Sie spielen Fangen, hüpfen in Kästchen, springen Seil oder kreisenden dem Hulahoppreifen in ihrer Körpermitte.
Der Anblick ist unglaublich
Die Diskrepanz zwischen der Größe der Menschen und ihrem kindlichem Verhalten bringt mich vollständig aus der Fassung. Dieser Widerspruch macht in meinem Gehirn einen Salto nach dem anderen. Plötzlich denke ich, dass mir Verbote und Konventionen egal sind. Ich mache mit und fühle mich vollständig frei.
Ich stürze mich kopfüber in die kreischende Menge und habe ein Gefühl von Miteinander, Freiheit und Glückseligkeit!
Ohrenbetäubender Lärm lässt mich aufwachen
Ich frage mich: „Wo bin ich? Was war das für ein Lärm?“
Ich liege in meinem Bett, neben mir auf dem Nachttisch ist ein Glas mit Saft umgekippt, alles klebt.
Langsam sortiert mein Geist sich wieder und mir dämmert es. Ich bin krank, ich habe Corona und Fieber. Offensichtlich habe ich einen Traum meiner Vision von einer gewaltfreien Welt gehabt. Eine Welt ohne Kriege, ohne Gewalt, ohne Töten und ohne machthungrige Diktatoren.
In meinem Traum war ich mit Menschen zusammen, die gelernt haben, liebevoll und achtsam miteinander umzugehen.