Neue Wirtschaft – aber alte Arbeit?

Arbeit findet heute in einem ganz neuen Rahmen statt. Sie wird nicht nur flexibler und selbstbestimmter, sondern auch unsicherer, glaubt der US-amerikanische Soziologe Richard Sennett.  Er meint, dass die neue Flexibilität die alten Sicherheiten des Arbeitslebens zerstöre und fordert eine neue Verteilung.

Zerrissenes Leben

Der Soziologe und Philosoph Zygmunt Bauman ging in seinem Denken noch einen Schritt weiter. Unser Leben wird zerrissen in verschiedene Lebens-Projekte, die nichts miteinander zu tun haben. Die vielen Menschen im Niedriglohnsektor, die mehr als eine Arbeit verrichten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, bezeugen diese Aussage. Arbeit ist für Baumann keine ethische Grundlage des Menschen mehr, da ihre Regeln ständig neu definiert werden.

Modernes Arbeiten als Belastung

Schon vor Jahrzehnten ging der Sozialpsychologe Erich Fromm davon aus, dass der Zerfall alter Strukturen und die neuen Arbeitsformen eine Zumutung für die Menschen seien. Diese Zumutung mündet für viele Menschen in Erschöpfung. Wenngleich diese im automatisierten Zeitalter immer weniger Stunden arbeiten und auch die Bedingungen der Arbeit objektiv betrachtet noch nie so gut waren wie heute, erleben Arbeitnehmer seiner Ansicht nach mehr Stress, denn je zuvor.

Neue Arbeitsformen – neue Identität?

Die Arbeitszeit ist zwar weniger geworden, doch sind die Anforderungen gleichzeitig gestiegen. In früheren Zeiten wurde hart gearbeitet, um sich später einmal etwas leisten zu können. Heute, mit der Erwartung des Renteneintrittes der geburtenstarken Jahrgänge, ist dieses „später“ unsicher geworden. Menschen glauben nicht mehr an zukünftige Belohnungen – in Form von Rente – für ein arbeitsreiches Leben. Vor dem Hintergrund der Bevölkerungsalterung wirkt eine sichere Rente höchst unwahrscheinlich. Die Frage lautet schlicht: Wer soll das bezahlen? Darum suchen immer mehr Menschen eine Arbeit, die sie glücklich macht und ihnen Sinn stiftet – in der Erwartung, diese über den Eintritt ins Rentenalter hinaus ausüben zu können.

Selbstoptimierung bis zur Erschöpfung?

Die Suche nach Sinn führt zwangsläufig zu einem Zwang zur Selbstoptimierung. Arbeitnehmer stellen nicht nur ihre Arbeitskraft zur Verfügung, sondern müssen sich auch noch selbst vermarkten und disziplinieren – also optimieren. Die zahlreichen Agenturen, die Bewerberinnen und Bewerber für Vorstellungsgespräche und berufliche Selbstfindung beraten, stehen Zeugnis für diese These. Arbeitnehmer sind kein kleines Rädchen im Produktionsprozess, sondern wie Unternehmer, die dauernd fürchten müssen, den hohen Erwartungen nicht gerecht zu werden. Dieser Zusammenhang wird von den Soziologen Hans J. Pongratz und Günter Voß als Arbeitskraftunternehmer bezeichnet.

Arbeit 4.0 – Die Digitalisierung hat ein weiteres Mal die Arbeitswelt verändert

Flexible Arbeitsformen zerstören alte Strukturen und Sicherheiten. Gleichzeitig sollen Arbeitnehmer besser werden, sich selbst optimieren, damit sie im Wettbewerb um eine  sinnstiftende Arbeit bestehen. Arbeit 4.0 hat die Veränderung der Arbeit ein weiteres Mal beflügelt. Mit dem Einzug der neuen Technologien verändert sich die Arbeitswelt kontinuierlich und massiv.

Kann dieses Dilemma auf gesellschaftlicher Ebene statt von den Individuen selbst gelöst werden?

Auf alle vorangegangenen Revolutionen der Arbeit hat der Arbeitnehmer mit persönlicher Anpassung reagiert. In einer neuen und disruptiven Wirtschaft, ist nicht die Anpassung des sozialen Systems zwingend notwendig? Macht es Sinn in einem neuen Modell der Wirtschaft alte Modelle der Arbeit fortzuführen?

Produktionsprozesse finden heute in einem völlig neuen Rahmen statt, die digitale Transformation ist in vollem Gange.

Ist es in diesem Modell der Produktionen, die virtuell und von Robotern betrieben werden, zwingend notwendig, für Geld zu arbeiten?

 

Kommentare

7 comments on “Neue Wirtschaft – aber alte Arbeit?”
  1. Ich sagt:

    Die Digitalisierung und automatische Arbeit von Robotern wird nur einen Teil der Dienstleistungen und Produktion abdecken. Klassisches Handwerk und zahlreiche andere Berufe wird es in moderner Form weiterhin geben.

  2. 1. „Macht es Sinn in einem neuen Modell der Wirtschaft alte Modelle der Arbeit fortzuführen?“
    Gut gefragt – natürlich nicht …! Was jeweils als ´Arbeit´ gedacht wird, ist mit Einkommensordnungen und staatlicher Wirtschafts-und Gesellschafts-Ordnungs-Politik aufs engste verknüpft.
    Sie alle gilt es neu zu konzipieren – am Tragendsten und Bewegendsten in meinen Augen durch ein BGE:

    2. Der ewige Blick auf drohende Arbeitslosigkeit im Kontext der Digitalisierung, wie ihn etwa auch Precht zelebriert, nervt, denn er entwertet die emanzipatorisch-kulturellen Möglichkeiten eines BGE (ebenso wie diejenigen teil-erweiterter digitalisierter Leistungserbringung neben neu zu gewinnenden Leistungs-Bereichen!)

    3. Lebenskulturelle Impulse für alle sollte sich jede Gesellschaft angelegen sein lassen. Ich plädiere diesbezüglich, ob hinsichtlich KiTa, Schule, Ausbildung, Jugend- & Erwachsenen-Angebote, Weiterbildung, Studium, Forschung, Betreuung & Pflege … für ein Gutschein-System, das jeder/m zusteht, der die Inanspruchnahme von ihm bezogener Gutscheine nachweist…
    Hier entstünden vielfältigste Räume für ein erheblich freieres MIteinander aller Generationen, Wirtschafts- & Kulturbereiche als derzeit…

    4. Ebenso wie das BGE für alle mit 200 € Gesundheitsfonds-Beitrag und für Kinder mit weiteren Ausbildungssparvertrags-Anteilen in Höhe von 300 € Teilverwendung finden müsste, wären erwerbsarbeitliche Zusatzverdienste je nach Umfang mit Altersspar-Pflichten zu belegen.
    ALV & RV erübrigten sich vollständig.
    KV/PflV würden via Gesundheitsfonds abgedeckt // AG zahlen im Umlageverfahren betriebsanteilig die Hälfte der Beiträge, egal wieviele mit wievielen Erwerbsbeschäftigten sie arbeiteten !
    – bei höheren Ansprüchen private Zusatzversicherungen

    5. Feste Anstellungsverhältnisse und Honorartätigkeiten ergänzten hoch-flexibel wechselseitig geschenkte oder getauschte Leistungen …
    Die so erbrachten Güter & Dienstleistungen bildeten die Basis für das jeweils erwirtschaftete BIP, das generell zu rund 1/3 (=festes Ausstattungsvolumen!) an die Wohnbürger/innen des Landes ginge – das übrige geldwerten 1/3 des BIP wären einer ausgewogenen Einkommensordnung zu unterziehen…. , > zugunsten davon der Hälfte: Steueraufkommen

    6. Es wird Zeit, erwirtschaftete Mittel so sparsam und aufgaben-angemessen wie möglich einzusetzen: minimierter Ressourcen-Verbrauch auf allen Ebenen muss Gebot der Stunde werden.

    7. Zur Minimierung jeder Art von Verschwendung und Ausbeutung böte sich sogar im Internationalen eine BGE-Plattform an für Menschen in bisher wirtschaftlich niedergehltenen Ländern… Nur direkte Impuls-Zuteilungen und fäire Handelspraktiken erzeugen gesunde Regional-Wirtschaften !!!

    Weiteres unter:
    http://buergerbeteiligung-neu-etablieren.de/LBK/mat/denkbares%20BGE_MANIFEST.html
    http://buergerbeteiligung-neu-etablieren.de/LBK/7.html
    http://buergerbeteiligung-neu-etablieren.de//POLITISCHES/M/rentendebatte.html
    Meinen Blog gibt es hier:
    https://diskursblickwechsel.wordpress.com/

  3. Es geht um mehr als digitale Transformation – nämlich unabhängig davon aber kompatibel um eine grundlegend auch kulturellproduktivere Einkommensordnung als heute:

    vgl. hier: https://diskursblickwechsel.wordpress.com/2018/12/18/bge-drittel-bip-modell/

    1. Susanne Gold sagt:

      Vielen Dank für die Infos! Ich sende leibe Grüße und wünsche schöne Feiertage!

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