Menschen träumen davon seit eh und je. – Dabei tun wir es jeden Tag und merken es nicht

Jeden Tag begeben wir uns auf Zeitreise

Es war ein wundervoller Urlaub, im letzten Sommer? Der Sand an den Füßen, das salzige Wasser auf der Haut, die Sonne, die geselligen Abende mit einem Glas Rotwein? Wie gerne denken wir daran zurück! Oder – müssen wir noch einkaufen, nach der Arbeit? Notieren auf einer Einkaufsliste, was wir später kaufen werden? Planen die Fahrt zum Supermarkt?

Schon sind wir – ohne es bewusst wahr zu nehmen – durch die Zeit gereist. Einmal in die Vergangenheit – zu unserem letzten Urlaub und ein anderes Mal in die Zukunft – in den Supermarkt, in dem wir später unsere Einkäufe erledigen wollen.

Im Gegensatz zur Uhr hat der Mensch seine eigene Zeit

Die Zeit auf der Uhr nennen Geisteswissenschaftler „formale Zeit“, die Zeit im Kopf der Menschen „subjektive“ Zeit. In unserem Kopf können wir wilde Zeitreisen machen, von der Vergangenheit in die Zukunft und zurück – in Lichtgeschwindigkeit. Es strengt uns nicht einmal an.

Am deutlichsten wird der Unterschied der Zeiten in der Liebe und Langeweile

Wir treffen uns mit unserer Liebe, sitzen im Kino, gehen Essen und reden bei Kerzenlicht. So viel wurde gesagt – so viele Blicke getauscht. Ein Blick auf die Uhr – Stunden sind vergangen, die unserem liebenden Herz vorkamen wie Minuten. Wenn wir lieben, sind Stunden wie Sekunden. Wenn wir uns langweilen, kommen uns Minuten wie Tage vor. Jeder, der langweilige Schulstunden hatte, weiß, dass eine dieser Unterrichtseinheiten ewig wirken kann.

Desto älter wir werden, desto schneller vergeht die Zeit

Kleine Kinder machen noch keine Zeitreisen. Im Gegensatz zu uns Erwachsenen leben sie immer im Moment. Das mag der Grund sein, dass sie sich weniger um die Zukunft sorgen oder mit der Vergangenheit hadern. Wenn wir Kinder sind, ist ein Tag sehr lang. Desto älter wir werden, desto kürzer wird ein Tag. Die Zeit beginnt zu verfliegen, schneller und schneller.

Unsere Uhren messen die formale Zeit und sorgen dafür, dass wir alle im Takt funktionieren: Den Zug am Bahnhof bekommen, rechtzeitig zur Arbeit erscheinen und dass wir uns verabreden können – zur gleichen Zeit am gleichen Ort. Doch während wir uns auf eine Uhrzeit einigen, lebt jeder von uns seine eigene Zeit.

Sitzen beispielsweise zwei Menschen im Zug, fahren sie zur gleichen Zeit ab. Denkt der eine von ihnen an das nächste Wochenende, der andere an die vergangene romantische Nacht – existieren drei Zeiten in einem Moment: Wir reisen in der Zeit!

In der industriellen Leistungsgesellschaft gewann die Zeit, die man mit der Uhr messen kann, an Bedeutung: Sie ist die Maßeinheit mit der wir in unseren Fabriken produzieren. Vorher war sie nicht abwesend, wurde sie gemessen in Tag, Nacht und Jahreszeiten.

Die Zeit aufhalten und den Moment genießen

Die formale Zeit bringt Leid mit sich. Sie bringt uns das Wissen um die Unausweichlichkeit unseres eigenen Todes und macht uns damit deutlich, dass wir nur begrenzte Zeit für die Verwirklichung unserer Wünsche haben.

Unser Wissen, dass unsere Zeit begrenzt ist, flüstert uns während jeder unserer Zeitreisen zu, dass wir den Moment genießen sollen. Schaffen wir das – dann sind wir jung, wie ein kleines Kind – für diesen Moment. Für dieses Gefühl lohnt es sich, achtsam zu sein.

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Susanne Gold

Gründerin & Herausgeberin des Zukunfts- und Wissenschaftsblogs Utopiensammlerin

Futuristin, Utopistin, Erfinderin und Sozialwissenschaftlerin. Sucht Utopien und sammelt Geschichten. Versteht Digitalisierung als Aufbruch in eine neue Welt – und träumt von einer besseren.

Kommentare

5 comments on “Menschen träumen davon seit eh und je. – Dabei tun wir es jeden Tag und merken es nicht”
  1. Ex-Studentin sagt:

    Hi Susanne,
    ich bin auch eine Zeitreisende. Ich denke viel an die Vergangenheit und an die Zukunft. Mir macht es oft Angst, wie schnell die Zeit vergeht. Vor allem, wenn man ein Baby gefühlt gestern noch im Arm gehalten hat und schwupp, geht es schon in die Schule. Oder gestern noch das Cousinchen auf dem Dreirad gesehen und schon ist sie mit der Ausbildung fertig und hat einen Freund.

    Ich hab viele Erinnerungen in meinem Kopf und denke jeden Tag daran, wie kurz das Leben eigentlich ist.

    Liebe Grüße
    Jenny

    1. Susanne Gold sagt:

      Hi Jenny. So geht es mir auch. Meine Tochter wird groß und ich alt. 50 Jahre- das wsr für
      Mich ein Wendepunkt: mehr das hier und jetzt genießen und das tun, was ich mag. Darum hab ich mir auch diesen Blog zugelegt. Ich habe mich sehr über deine Nachricht gefreut 😍. Einen schönen Sonntag wünsche ich Dir. Susanne

  2. Steffen Hannemann sagt:

    Zeit-Probleme haben wir doch nur, weil unsere Lebenszeit noch endlich ist. Wie gelassener und verschwenderischer könnten wir mit der Zeit umgehen, wenn diese unbegrenzt zur Verfügung stünde.
    Diese Woche lohnt es sich die Titel-Geschichte des Spiegel 48/19 zu lesen.
    Sterben? Ohne mich!
    Klingt doch schon mal gut und auch:
    „Der Jungbrunnen ist ein Menschheitstraum, ewig schon versuchen Forscher, das Altern zu besiegen, die Lebensuhr zurückzudrehen. Das ist ihnen nun gelungen – bei Fischen und Mäusen. Jetzt sind wir dran.“
    Selber bin ich längst Millionär in freier Zeit!
    Finde, davon hat man viel mehr, als wenn man nur Millionär von runden Metall, oder schweren Papier ist.

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