In den letzten Jahren hat die Kriminalität unter Kindern und Jugendlichen in vielen Ländern zugenommen, darunter auch in Deutschland. Die jüngsten Fälle von Gewaltverbrechen, bei denen Kinder als Täter beteiligt waren, haben eine Debatte darüber ausgelöst, warum Kinder solche Taten begehen und ob sie für ihre Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden sollten. Es wird viel über die Konsequenzen, eine Anpassung des Strafrechts, diskutiert – aber nicht genug über die Ursachen.
Können Kinder heute noch zuverlässig zwischen richtig und falsch unterscheiden?
Wäre es denkbar, dass die Zunahme von Straftaten, die von Kindern begangen werden, eine Folge der ersten Generation von Kleinkindern ist, die mit digitalen Geräten in Berührung kamen? Studien haben gezeigt, dass die hektischen Szenen und emotional anregenden Formate während des digitalen Konsums negative Auswirkungen auf die sich noch entwickelnden Gehirnregionen haben könnten.
Die häufiger genutzten Aktivitäten werden in diesen Nervenverbindungen stabilisiert, während analoge Erfahrungen und Fähigkeiten kaum trainiert und damit neurologisch nicht stabilisiert werden. Vor allem kleine Kinder müssen lernen, dass es einen Unterschied zwischen Spiel und Realität gibt. Doch das Smartphone suggeriert oft, dass das Abgebildete real ist, was es für Kinder schwierig machen kann, zwischen dem digitalen und dem realen Leben zu unterscheiden.
Es ist heute ein alltäglicher Anblick, wenn kleine Kinder versuchen, die Fische in einem Aquarium mit ihren Fingern zu vergrößern, oder es nicht schaffen, eine Seite in einem Fotoalbum oder Bilderbuch umzublättern, weil sie es gewohnt sind, zu wischen.
Eltern, die selbst auf ihre Telefone schauen, wenn sie Zeit mit ihren Kindern verbringen und auf die Fragen ihrer Kinder antworten, verschlimmern das noch: Kinder lernen nicht mehr, Gesichter zu lesen, es fehlt ihnen an Empathie und sie können sich nicht mehr altersgemäß in andere hineinversetzen.
Die Aufmerksamkeitsfalle
Die heutige Cyber-Gesellschaft wird von der „Aufmerksamkeitsökonomie“ angetrieben, die einen ständigen Kommunikationsdruck ausübt. Kinder werden immer früher mit den Mechanismen des Internets konfrontiert und unterliegen einem Cyber-Automatismus, der sie zwingt, sich auf mehreren Wahrnehmungs- und Bewusstseinsebenen gleichzeitig zu bewegen.
Unsere Aufmerksamkeit ist jedoch begrenzt und nimmt mit jeder Aktivität, die wir ausführen, ab.
Es ist also durchaus plausibel anzunehmen, dass nicht nur Vernachlässigung, wie es einige Psychologen vermuten, sondern auch Smartphones, Tablets und die digitalen Medien mit alle ihren Apps selbst eine wichtige Rolle bei der steigenden Kriminalität unter Kindern und Jugendlichen spielen. Manche Experten sind der Meinung, dass stundenlanges Konsumieren von gewalttätigen Spielen und Filmen vor Bildschirmen Kinder beeinflussen und aggressives Verhalten fördern könnte. Doch ist es nicht auszuschließen, dass nicht nur die Inhalte entscheidend sind, sondern vielmehr die Tatsache, dass Kinder immer früher, oft schon im Kleinkindalter, digitale Geräte nutzen, obwohl ihre Gehirne dafür noch nicht vollständig ausgereift sind.
Digitaler Babysitter: Kein seltener Anblick – Ein Baby mit Smartphone
In der heutigen Gesellschaft herrscht eine zunehmende Fixierung auf kurzfristige Ziele vor, was sich auf die Lebensqualität vieler auswirkt. Diese Tendenz wird verstärkt durch die vorherrschende Cyber-Kultur, die von der „Aufmerksamkeitsökonomie“ angetrieben wird – einem ständigen Druck zur Kommunikation und Informationsverarbeitung.
In dieser digitalen Welt haben Eltern häufig die Kontrolle über ihren eigenen digitalen Konsum verloren und sind den Verlockungen der Aufmerksamkeitsökonomie erlegen. Als Folge davon geben sie ihren Kindern oft zu früh und zu lange digitale Geräte in die Hand, welche diese selbst ebenfalls in die Aufmerksamkeitsfalle locken, wie ihre Eltern, an deren Modell sie zusätzlich lernen.
Kinder werden immer früher mit den Mechanismen des Internets konfrontiert und unterliegen einem Cyber-Automatismus, der uns zwingt, uns auf mehreren Wahrnehmungs- und Bewusstseinsebenen gleichzeitig zu bewegen
Unsere Aufmerksamkeit ist begrenzt und nimmt mit jeder Aktivität, die wir ausführen, ab. Studien haben ergeben, dass die hektischen Szenen, denen Kinder während ihres digitalen Konsums begegnen – mit zahlreichen Bildwechseln und emotional und physiologisch anregenden Formaten – negative Auswirkungen auf die sich noch entwickelnden Gehirnregionen haben könnten, was sich auf die Entwicklung von Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit auswirken könnte. Die häufiger genutzten Aktivitäten werden in diesen Nervenverbindungen stabilisiert, aber die ungenutzten Aktivitäten führen zu einem Abbau der Nervenverbindungen.
Das bedeutet, dass ihre Smartphone-Erfahrungen und -Fähigkeiten gestärkt werden, während analoge Erfahrungen und Fähigkeiten kaum trainiert und damit neurologisch nicht stabilisiert werden.
Sind wir dabei, eine Generation von antisozialen Wesen heranzuziehen?
Vor allem kleine Kinder müssen lernen, dass es einen Unterschied zwischen Spiel und Realität gibt. Das Smartphone suggeriert den kleinen unausgereiften Gehirnen aber, dass das Abgebildete real ist. Das bedeutet, dass sie Schwierigkeiten haben werden, zwischen dem digitalen und dem realen Leben zu unterscheiden.
Darüber hinaus experimentieren sie nicht mehr mit den vielen anderen Möglichkeiten, die es geben könnte. In der digitalen Intuition sind die Möglichkeiten vorgegeben und absichtlich begrenzt. Niemand soll sich dort anstrengen. Kinder lernen das schnell, und deshalb kann das, was wir als einfaches Umblättern einer Seite ansehen, eine enorme kognitive und kreative Herausforderung für die von Smartphones dominierten Kleinkinder von heute sein.
Kein seltener Anblick: Eltern schauen auf ihre Tablets und Smartphones, wenn sie Zeit mit ihren Kindern verbringen und auf die Fragen ihrer Kinder antworten.
Das hat schlimme Folgen: Es fehlt den Kindern an vorgelebter Empathie und sie können sich selbst nicht in andere hineinversetzen. Wer eine Gesellschaft anstrebt, die von Mitgefühl geprägt ist, kann aktiv dazu beitragen. Eine Möglichkeit hierfür besteht darin, den Einsatz digitaler Geräte im Umgang mit Babies und Kleinkindern zu reduzieren oder besser sogar ganz darauf zu verzichten.
Denn eine liebevolle und aufmerksame Betreuung in den ersten Lebensjahren ist von unschätzbarem Wert für die gesunde Entwicklung der Kinder und die Gestaltung einer guten sozialen Gesellschaft.