Das erste Mal hörte ich von dem „Overview-Effekt“, als ich den Physiker, ehemaligen Astronauten und heutigen Inhaber des Lehrstuhls für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München Professor Ulrich Walter interviewte.
Der Overview-Effekt beschreibt das Gefühl der Einsicht und des Bewusstseins, welches Astronauten erleben, wenn sie die Erde vom Weltraum betrachten
Diese Perspektive lässt sie die Fragilität unseres Planeten und die Einheit der Menschheit auf eine ganz neue Art wahrnehmen. Diesem Effekt schreibt man das Potenzial zu, unser Verständnis von uns selbst und unserem Platz im Universum zu verändern. Walter erzählte mir, wie absurd ihm plötzlich die nationalen Grenzen auf der Erde erschienen, als er unsere Erde erstmals vom All aus erblickte. Später lernte ich, dass alle Astronauten während dieses Moments diese tiefgreifende Bewusstseinsveränderung erleben: Denn jenseits irdischer Grenzen blicken Astronauten auf die von der Sonne erhellte blaue Kugel, mit ihren majestätischen grünen Tälern, Gipfeln und Wüsten.
Sie erleben etwas, das wir alle nur theoretisch wissen: Dies ist unsere einzige Heimat, wir haben keine zweite Erde
Jeder Tropfen Wasser, den wir trinken, jeder Atemzug, den wir nehmen, ist ein Geschenk unserer Heimat. Wir sind ein Teil des engmaschigen Netzes des Lebens auf diesem Planeten. Die Form unseres Daseins ist vorübergehend und wandelbar, aber egal wie wir erscheinen, wir sind aus diesem Netz des Lebens geboren und werden auch nach unserem Tod auf irgendeine Art und Weise in es zurückkehren. Für Astronauten ist es die Vogelperspektive aus dem All, die zu einer Veränderung des Bewusstseins führt – ein plötzliches Verständnis, dass alle Grenzen und Streitigkeiten auf der Erde absurd sind, weil wir alle nur diese eine Heimat haben.
Es gibt nur zwei Arten zu leben. Entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so, als wäre alles ein Wunder. – Albert Einstein
Retten wir die Welt? Overview für alle, eine Reise ins All für Jedermann!
Während zahlreiche Staaten und wohlhabende Privatpersonen Pläne zur Besiedlung des Mars schmieden, schlage ich eine andere Reise vor – eine Reise in das andere, unser inneres Universum. Denn was Astronauten während ihrer kosmischen Reisen erfahren, hat einen Namen: Dankbarkeit!
Die Bewusstseinsveränderung, die sie erleben, wenn sie die Fragilität unseres Planeten aus der Ferne betrachten, ist ein Gefühl der tiefen Wertschätzung für das Leben und die Schönheit unseres Universums. Statt uns auf eine andere Welt zu flüchten, sollten wir uns auf eine Reise zu uns selbst begeben, um diese Dankbarkeit zu finden und zu schätzen.
Jede Enttäuschung ist die Folge einer falschen Erwartung
Schon die antiken Stoiker lehrten, dass wir uns immer auf das Schlimmste vorbereiten sollten, um weniger enttäuscht zu sein. Unsere Begehren und unser Ego sind oft der Schlüssel zu unseren irdischen Konflikten und unserem Unglück.
Dankbarkeit wurde bereits von den antiken Philosophen behandelt, aber erst vor rund 20 Jahren von der modernen Psychologie entdeckt
Menschen, die ihren Sinn für Dankbarkeit und das Schöne im Leben schulen, sind laut Forschung zufriedener, haben erfülltere Beziehungen und leiden seltener an Depressionen, Sucht oder Burn-Out. Sogar Entzündungsmarker im Blut werden durch Dankbarkeit reduziert. Forscher*innen vermuten, dass Dankbarkeit sogar einen evolutionären Nutzen haben könnte, da sie dazu beiträgt, soziale Bande und Altruismus zu stärken.
Teilen ist das neue Haben
Immer mehr Menschen scheinen das zu begreifen: Gemeinschaften und ökosystemartige Strukturen gewinnen seit einiger Zeit immer mehr an Bedeutung – sogar ganze Institutionen und Unternehmen schließen sich heute zusammen. Ich bin sicher, um unseren Planeten zu retten, müssen wir uns von einer Kultur des „Habens und Wollens“ abwenden und hin zu einer Kultur des Teilens.
Wie lernt man Dankbarkeit, wie das Geben?
Martin Seligman, der Vorreiter der sogenannten positiven Psychologie, entwickelte Tests und Fragebögen zur Messung positiver Persönlichkeitseigenschaften und erforschte die Entwicklung dieser Eigenschaften im Laufe des Lebens. Dankbarkeit ist eine der fünf Tugenden der „Transzendenz“, welchen im Glückstraining gefördert werden. Dabei meint der Begriff Transzendenz, dass man über sich selbst hinauswächst und eine Verbindung zu etwas Größerem herstellt. Es geht darum, den Sinn und Zweck des eigenen Lebens zu finden, indem man seine Grenzen überwindet und nach höheren Zielen strebt.
Das kann auf verschiedene Arten erreicht werden, wie zum Beispiel durch Spiritualität, Kunst, Wissenschaft oder auch durch altruistische Handlungen.
Indem man sich über das eigene Ich hinaus bewegt, kann man ein tieferes Verständnis von sich selbst und der Welt um uns herum erlangen. Obwohl es noch Skeptiker gibt, wird die positive Psychologie heute von vielen als sinnvolle Ergänzung zur klinischen Psychologie angesehen.
Studien haben gezeigt, dass Dankbarkeitsübungen einen positiven Effekt auf das Leben haben können. In einer Studie von Seligman wurden Studierende in drei Gruppen aufgeteilt, um die Wirkung von Dankbarkeit zu untersuchen. Die erste Gruppe wurde aufgefordert, zehn Wochen lang einmal pro Woche fünf Dinge aufzuschreiben, für die sie dankbar waren. Die zweite Gruppe notierte Dinge, die sie ärgerten, und die dritte Gruppe schrieb einfach Ereignisse auf, die sie auf irgendeine Weise beeinflusst hatten. Die Teilnehmer*innen der Dankbarkeitsgruppe waren am Ende zufriedener mit ihrem Leben, schauten optimistischer in die Zukunft und hatten weniger körperliche Beschwerden. Interessanterweise trieben sie auch mehr Sport als die anderen Gruppen.
Eine App für Dankbarkeit
Eine weitere durchgeführte Studie an der Universität Lüneburg untersuchte die Wirksamkeit einer Dankbarkeits-App für Menschen mit psychischen Problemen. Über einen Zeitraum von fünf Wochen wurden die Teilnehmer*innen ermutigt, positive Erlebnisse bewusst wahrzunehmen und sich bei Freunden und Familie zu bedanken.
Die Ergebnisse zeigten, dass die regelmäßige Praxis der Dankbarkeit zu einer signifikanten Verbesserung des psychischen Wohlbefindens der Teilnehmer führte. Diese Studie unterstreicht die Wirksamkeit von Dankbarkeitsübungen als ergänzende Maßnahme zur Verbesserung der psychischen Gesundheit.
In Anbetracht der Herausforderungen, vor denen unsere Welt heute steht, könnte es verlockend sein, in Angst und Verzweiflung zu verfallen. Doch die Antwort liegt vielleicht darin, dass wir uns alle auf das konzentrieren, was wir tun können, um unsere Welt zu einem besseren Ort zu machen. Indem wir uns auf Dankbarkeit konzentrieren und unser Verhalten ändern, können wir unseren Planeten ehren und eine gute Zukunft beginnen. Mein Vorschlag ist, dass wir alle ein bisschen mehr geben als nehmen wollen und uns in Dankbarkeit üben. Wenn wir dies tun, können wir gemeinsam eine positive Veränderung in unserer Welt bewirken und eine bessere Zukunft für uns alle schaffen.
Danke, dass ihr meinen Text gelesen habt. Ich bin froh, dass es Euch gibt! Wenn Ihr mehr von mir lesen wollt, könnt Ihr mir auf LinkedIn folgen. Liebe Grüße, Eure Susanne 🫶