Der, den Geben glücklich macht: Wer ist Ulrich Walter?

Ulrich Hans Walter geboren 1954 in Iserlohn ist ein deutscher Physiker, ehemaliger Wissenschaftsastronaut und derzeitiger Inhaber des Lehrstuhls für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München.

Dort lehrt, forscht und entwickelt er Satellitensysteme insbesondere für robotische Anwendungen, weiterhin Systemtechnik (System-Modellierung und Optimierung), Bemannte Raumfahrtsysteme (Lebenserhaltungssysteme und ISRU) und High Velocity Impact Physics (Untersuchung von Mikrometeoriteneinschlägen).

Prof. Walter studierte Physik und promovierte an der Uni Köln mit Gastaufenthalten am Forschungszentrum Jülich und am Hochflussreaktor ILL Grenoble. Anschließend arbeitete er ein Jahr als Postdoc am Argonne National Laboratory, Chicago/USA, und ein weiteres Jahr als DFG-Stipendiat an der University of California, Berkeley. Nach der Berufung ins Deutsche Astronautenteam im Jahre 1987 und der Ausbildung zum Wissenschafts-Astronauten flog er im Jahre 1993 an Bord der Columbia die D-2 Mission mit 89 wissenschaftlichen Experimenten. Von 1994 bis 1998 leitete er die Entwicklung des Satellitenbild-Datenarchives des DLR. Im April 1998 wurde er Program Manager am IBM Entwick-lungslabor in Böblingen. Seit März 2003 leitet er den Lehrstuhl für Raumfahrttechnik an der TU München.

Wie sieht Ihre Welt in hundert Jahren aus?

In hundert Jahren glaube – und hoffe – ich, dass es eben keine großen Grenzen mehr gibt. Das würde auch bedeuten, dass es zum Beispiel kein Deutsch mehr gibt. Unsere Sprache wird ein Dialekt werden möglicherweise in einem ganzen Verbund von Sprachen.

Ich glaube, es wird eine Weltsprache – nämlich Englisch – mit verschiedenen kleinen Dialekten geben. Der große Vorteil wird sein, dass wir nicht mehr verschiedene Sprachen lernen müssen, sondern uns mühelos alle verstehen werden. Das wird die Menschen näher zusammenbringen und der Glaube an die Zukunft. Da spielen die Deutschen keine Rolle, weil sie nicht an die Zukunft glauben, sondern nur in ihrer Vergangenheit hängen. Aber die anderen – Inder, Chinesen und Amerikaner hoffen sehr auf die Zukunft und werden die Deutschen mitreißen.

Mit anderen Worten – die Deutschen werden für die Zukunft keine große Rolle spielen, aber mitgerissen werden von den anderen Nationen. Die 80 Millionen Deutsche spielen bei den 8 Milliarden Menschen wirklich keine Rolle.

Sie meinen, die Menschen sollen sich nicht nach der Vergangenheit sehnen – nicht rückwärtsgewandt leben?

Das ist es! Wir Deutschen sind ein altes, nein, ein alterndes Volk. Wir leben in der Vergangenheit. Wir haben Angst vor der Zukunft. Aber wir lieben das. Wir haben Angst. Dies zeigt sich auch in den gesamten Klimakatastrophenszenarien. Sie sind bei weitem nicht so, aber wir lieben apokalyptisches Denken. Wir haben Angst vor der Zukunft und vor Veränderungen. Alles soll so bleiben, wie es ist. Wir leben in der Vergangenheit, und das ist nicht mit dem Rest der Welt vereinbar. Das ist typisch deutsch, sogar europäisch. Aber wir Deutschen sind die Vorreiter dieses Denkens in Europa.

Retrotopia – die Sehnsucht nach der Vergangenheit – Die Deutschen sehnen sich besonders nach der Zeit des Wirtschaftswunders, richtig?

Genauso ist es! Ja, da sind wir groß geworden. Und es sind auch die langfristigen Erinnerungen an die Zeit der Musik und der Literatur der deutschen Geschichte. Ich hörte kürzlich, dass sich die Anzahl der Museen in Deutschland in den letzten Jahren verdoppelte. Museen sind natürlich wichtig, aber in Deutschland wird dies überbewertet.

Welches sind Ihre Hobbies?

Es gibt die Sachen, die ich gerne tun würde: Bogenschießen, Schmetterlingskunde und -Fotografieren. Das sind meine persönlichen Bedürfnisse. Aber ich habe keine Zeit. Ich mache mittlerweile sehr viel Öffentlichkeitsarbeit und mein Fokus hat sich verlagert. Ich habe verstanden, dass es mir sehr viel gibt, anderen Menschen etwas zu geben. Und zwar insbesondere Studenten. Es stehen oft Studenten hier in der Tür, die sagen: „Herr Walter, können Sie sich noch mich erinnern?“ Ich sage nein und er antwortet: „Vor 15 Jahren haben Sie mir beim Tag der offenen Tür beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt ein Autogramm gegeben, damals war ich noch ein Kind und wollte seitdem Raumfahrttechnologie studieren. Heute studiere ich das hier.“ So etwas gibt einem sehr viel. Es gibt mir mehr, als ein Hobby.

Ihre persönliche Glücksformel ist also das Geben?

Ja. So ist es. Wenn man merkt, dass man einem jungen Menschen etwas gegeben hat, das ist sehr schön.

Schön! Ich danke Ihnen für das Interview.

Hier findest das vorangegangene vollständige Film – Interview zum Thema Menschen im Weltall.

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