Illustration Susanne Gold, Text Anita Klein
Warum wir Zukunftsvisionen sammeln? Das kannst Du hier erfahren!
Heute ist ein guter Tag. Ich bin satt und zufrieden. Weitere Gefühle halten sich im Hintergrund.
Bis Timmi aus seinem Lernzimmer ruft. „Papa“, schreit er „Papa, komm mal bitte schnell!“ Ich höre seine Aufregung in der Stimme und gehe zu ihm. „Na, Sohnemann, was gibt’s heute zum Lernen?“ „Ha-ha, gutes Stichwort, Papa, wusstest du, dass vor 100 Jahren die Kinder, wenn sie von der Schule kamen, immer zuerst gefragt haben: „Mama, was gibt’s zum Essen?“ Das waren noch ganz andere Zeiten damals. Ich bin echt froh heute zu leben.
„Warum denn Timmi? Was gefällt dir heute so viel besser als es noch vor hundert Jahren war?“, frage ich meinen Sohn und setze mich zu ihm auf den Jump Ball.
Wir grooven uns ein und Timmi fängt an aufzuzählen:
„Naja, Mama muss mich nie fragen: „Was soll ich heute kochen? Das hat wohl meine Ur-Ur Oma Anita ihre Kids fast täglich fragen müssen. Es gibt da einen Spruch, der noch aus der Zeit von damals stammt, den hab ich in dem O-Enzy-Artikel „das Leben vor hundert Jahren“ gelesen: >>Äll Dag dui Kocherei ond äll Dag isch so oft>>Da haben wir es heutzutage doch wirklich total schön.
Mit dem implantierten Chip im Oberarm wird genau berechnet, was unser Körper zum Essen und Trinken braucht
Alle Zutaten sind in der exakten Menge immer vorhanden, sodass nichts übrigbleibt und weggeschmissen werden müsste. Das war vor 100 Jahren ja noch schlimm, was da an Lebensmittel weggeworfen wurde! Und wenn du Bilder aus der Zeit von damals anschaust, wie dick manche Menschen waren und andere klapperdürr – Jetzt sind alle Menschen genau im perfekten BMI, und zwar alle Menschen auf der ganzen Welt- es gibt keine Hungertode mehr!
Mit dem Chip wird ja nicht nur mein Essen und Trinkverhalten positiv geregelt, sondern auch meine Freizeitbeschäftigungen mit meinen Freunden abgestimmt. Ich find’s echt cool, dass ich heute lebe und nicht vor 100 Jahren, als die Smartphone Generation sich selbst fast zum Aussterben gebracht hat.“„Ja, das hast du gut zusammengefasst Timmi, hast deine Lernzeit hier effektiv genutzt, dafür bekommst du von mir ein Extraguthaben auf deinen Chip geladen.“
„Oh, danke Papa, dann kann ich nachher noch ein bisschen Sport machen, das tut so gut!“ „Hmmh“, denke ich und fühle, wie die seltsamen Gefühle langsam wieder Oberhand gewinnen, „damals gab es bei guten Leistungen ein Stück Schokolade oder Handyguthaben zum Daddeln, insofern ist das mit dem Chip heute schon eine feine Sache. Wäre da nur nicht dieses merkwürdige Gefühl der Überwachung, zum Beispiel beim Sex – aber bis Timmi so weit ist, wird dieses Gefühl bestimmt auch gelöscht sein.