Illustration Susanne Gold, Text Johanna Schlemmer
Es ist das Jahr 2122: Ich stehe vor dem Spiegel und betrachte meinen Körper. Anfangs ohne Wertungen. Dann spreche ich zu ihm mit liebevollen Affirmationen. Just in dem Moment taucht eine Instagram Nachricht auf meinem Handy auf. „Du bist genug so, wie Du bist!“, lautet ein Kommentar einer Followerin.
Vor 100 Jahren, also im Jahre 2022, wäre das kaum vorstellbar gewesen.
Die Gesellschaft war damals durch und durch von Schönheitsidealen geprägt. Bitte eine Sanduhrfigur mit einem realitätsfernen flachen Bauch, volle Lippen, lange Wimpern und reine babyweiche Haut. Alles wurde gesehen und gefordert – außer das authentische und natürliche Ich.
Von der Qual, mit Schönheitsidealen leben zu müssen
Die Schönheitsideale lösten unendliche viel Druck auf die Menschheit aus, vor allem auf die Jugendlichen. Egal, ob Mädchen oder Junge. Man bekam immer das Gefühl, nicht genug zu sein. Es ging so weit, dass viele unter psychischen Krankheiten wie Depressionen gelitten haben. Aber nicht nur das. Essstörungen wurden immer mehr zum Thema. Viele rutschten in die Magersucht, weil der Zwang zu groß war, eine Wespentaille zu haben. Aber auch einige verfielen dem Sportwahn oder erkrankten an Bulimie. Man definierte sich nur noch über das äußere Erscheinungsbild. Kalorien waren tausendmal wichtiger als die eigene Gesundheit. Abends essen gehen hatte nichts mehr mit Genuss zu tun, sondern wurde zu einem regelrechten Zwang. Für Bilder hat man sich natürlich perfekt in Szene gesetzt: Bloß gut aussehen, Bauch einziehen, Luft anhalten, Lippen schürzen, lächeln und knips!
So wie wir sind, sind wir richtig
Zurück in die Zukunft: Heute wäre das kaum vorstellbar. Kalorien sind nicht mehr auf den Produkten zu finden. Es wird auch nicht mehr nach dem Äußeren be- und verurteilt. Viel mehr kommt es darauf an, wie Menschen mit sich, den anderen, der Umwelt umgehen und begegnen.
Diäten, Shakes und Abnehm-Programme sind heute Fremdwörter für uns. Es gibt auch keine Gewichtswaagen mehr. Denn was sagt das Körpergewicht aus? Es ist nur eine Zahl, die uns nicht definiert. Wofür sollten wir all das brauchen? Wir sind perfekt so, wie wir sind. Wir wollen gar nichts mehr verändern.
Anstatt sich ins Fitnessstudio zu zwingen, schnappt man sich seine Familie und am besten noch die Haustiere und macht einen langen Spaziergang in der Natur. Ganz frei von Sorgen.
Früher wurde noch darum gestritten, wer die Schönste sei. Dieser Konkurrenzkampf ging so weit, dass Bodyshaming betrieben und im Internet mit Hasskommentaren gehetzt wurde.
Mittlerweile gibt es nicht mal mehr Beauty-Filter. Es wurde auch ein Verbot für zu starke Bildbearbeitung eingeführt, um den jungen Leuten kein realitätsfernes Schönheitsbild zu vermitteln.
Instagram oder auch jegliche andere Social-Media-Plattformen wurden zur permanenten Inspirationsquelle für einen gesunden, zwanglosen und glücklichen Lebensstil.
Ein Segen für die (Leistungs-)Gesellschaft
Jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob sich das Ende von einem Schönheitsideal auf andere Bereiche auswirkt wie zum Beispiel auf die Leistung. Die Antwort lautet JA. Die Menschen haben gelernt, sich so zu akzeptieren, wie sie sind – mit all ihren Schwächen und Stärken. So begegnen sie auch anderen. Es wird ein harmonisches Miteinander. Jeder lernt von jedem. Leistung im Sinne von „besser und schöner sein als der andere“ spielt keine Rolle mehr.
Natürlich wird es noch weitere Jahrzehnte dauern, bis diese zwanghaften Gedanken und Verhaltensmuster der Schönheitsideale vollständig aufgearbeitet werden. Aber Schritt für Schritt bewegen wir uns in die Richtung, dass Gesundheit unser oberster Wert ist. Was wir weiterhin tun können? Den Blick von außen nach innen richten und sich auf das Wesentliche konzentrieren.