Edle Möbel aus Tropenholz ganz ohne Raubbau– geht das?

Illustration Corinna Heumann, Text Bernhard Fischer

Pflanzliche Produkte ohne Raubbau an der Natur? „Ex Planta“ und “ In Vitro“

2121: Ein Blick auf die Uhr – wo bleibt denn der Händler für die Tropenhölzer? Zu einem Verkaufsgespräch sollte der aber pünktlich kommen, denkt sie sich.

Ihre alte Wohnzimmereinrichtung ist überholt und abgenutzt. „Es wird Zeit für eine neue elegante Ausstattung“ erzählt sie dem Designer, der endlich gemeinsam mit dem Händler erscheint. In der Verkaufslichtung des Dschungels ist sie von dem vorhandenen Angebot begeistert und ihr Ärger verflogen. Unter den Urwaldriesen sucht sich Grenadillholz für ihren Tisch, dazu Zebrano für den Stuhl, eine Kommode aus Bongossi und zur Krönung eine Anrichte aus Merantiholz aus. Die edlen Urwaldhölzer werden genau nach ihren Vorstellungen wachsen und geliefert werden. Das versichert ihr der Händler. Dafür wird aber keiner der seltenen Bäume gefällt werden. Die Urwaldriesen bleiben bis auf eine kleine Entnahme von Zellen unangetastet.

Möbel aus bestem Holz, ohne dass dafür ein Baum gefällt werden muss. Ausreichend pflanzliche Nahrung und Kleidung für alle? Wälder, die nicht gerodet werden, sondern grüne Lunge und Lebensraum gefährdeter Arten und Insekten bleiben? Eine Welt ohne DDT, Glyphosat und Gift gegen „Unkraut“: Könnte diese Zukunftsvision wahr werden? Ja, diese Utopie könnte bald Wahrheit werden.

2021: Zellforschung gegen die Knappheit

Heute arbeiten Wissenschaftler in aller Welt daran, die Erforschung der biologischen Zellen und deren Reproduktion voranzutreiben, um die Ressourcen der Welt einerseits zu schonen und den hohen Lebensstandard der Menschen andererseits zu sichern.

Aktuell baut die Landwirtschaft ganze Pflanzen an, erntet den nutzbaren Teil – manchmal mit nur geringem Ertrag – und kompostiert oder verbrennt den Rest. Diese Vorgehensweise verbraucht erhebliche Ressourcen und Zeit. Es muss nämlich der gesamte Lebenszyklus der Pflanzen abgewartet werden, um den nutzbaren Teil ernten oder verwerten zu können.

Beispielsweise für ein Reiskorn wächst der Setzling, bis das Korn geerntet werden kann. Nach der Ernte wird die Pflanze – bis auf das Reiskorn weggeworfen. Noch gravierender ist es bei den Bäumen. Es dauert Jahre, bis ein Baum so gewachsen ist, dass er gefällt werden kann, bei tropischen Bäumen sogar viele Jahrzehnte. Kein Wunder also, dass deren Nutzung und Verwertung sehr kontrovers diskutiert wird.

Nachwachsende Rohstoffe sind deshalb heute nur theoretisch erneuerbar.

Traurige Tatsache ist, dass die Menschheit mehr verbraucht, als nachwächst. 1990 bis 2016 wurden beispielsweise zweieinhalbmal die Fläche von Frankreich an Wald gerodet. Es liegt auf der Hand, dass diese Art der Nutzung nicht mehr lange gut gehen kann.

Forscher hoffen auf die Lebenskraft von Pflanzen

Lebende Pflanzenzellen haben eine beeindruckende Fähigkeit. Sie können wie menschliche Stammzellen wachsen, sich teilen und sich differenzieren. Unter besonders günstigen Umständen kann aus einer einzigen Pflanzenzelle sogar die ganze Pflanze nachwachsen. Jüngst hat ein Forscherteam gezeigt, dass aus einzelnen Zellen exakt das wachsen kann, was gebraucht wird: Ein Stuhl, ein Tich, eine Kommode oder sogar eine Anrichte – in einstellbarer Form und Qualität.

Wie bringt man eine Holzzelle dazu, zu einem Gegenstand zu wachsen?

Zunächst müssen geeignete Wachstumsbedingungen eingerichtet werden, dem sogenannten „ex planta farming“.  „Ex Planta“, weil zwar eine Mutterpflanze als Zellenspender gebraucht wird, die Mutterpflanze aber dadurch wenig beeinträchtig wird. Sie wird weiter leben und weiter wachsen. Das Kulturgut wächst außerhalb der Pflanze, so kommt es zu dem Begriff „ex planta“.

Die Forscher haben Zellen der „Zinnia elegans“ verwendet, weil man diese leicht isolieren kann. Prinzipiell lassen sich aus allen Pflanzen einzelne Zellen isolieren und diese weiter kultivieren. Das Forscherteam hat das Gewebe der „Zinnia elegans“ in einem gitterförmigen Gerüst wachsen lassen, dessen Wände auch mit Zellen dotiert waren. So entsteht ein Gitter aus pflanzlichem Gewebe.

So funktioniert das Vorgehen von „Ex-planta-Farming“

Zunächst werden einzelne Zellen von der Mutterpflanze isoliert. Diese werden im Anschluss im Labor vermehrt. Dieser Zellhaufen wird als Gel in einem dreidimensionalen Gerüst ausgestrichen, welches eine Nährlösung enthält und den Zellhaufen fixiert. Darin wachsen die Zellen weiter, bis sich ein abstimmbares und geformtes Pflanzengewebe gebildet hat.Besonders interessant ist, dass die Eigenschaften dieses Gittes beeinflusst werden können! Was aus den isolierten Zellen wird, das wird nämlich von vielen äußeren Parametern bestimmt.

Für den Machbarkeitsnachweis haben haben die Forscher nur wenige Parameter durchgespielt: pH-Wert, Anfangskonzentration der Zellen und zwei Wachstumshormone. Allein damit konnten sie beispielsweise die Zellgröße Und denVerholzungsgrad des Materials merklich beeinflussen.

Grafik aus der Publikation der Studie, siehe Verlinkung.

Holz aus Zellen – ein vielversprechendes Forschungsgebiet!

Als eine erste mögliche Anwendung wird das Gewebe „Xylem“ genannt. Im Baum bildet Xylem das Holz. Für Holz wachsen Bäume mindestens 20 Jahre, oft noch viel länger. Dann kommt der Harvester und holt sich den Stamm.

Rinde, Wurzeln, Blätter, kleine Zweige usw. bleiben als „Abfall“ übrig. Im Labor würde nur das begehrte Xylem als Gewebe wachsen. Am besten schon in einer Form, die später gebraucht wird. Als Brett, als Scheit, als Stuhl und so weiter. Das natürlich auch mit den optimalen Eigenschaften, die für die jeweilige Anwendung gewünscht wird.

Soweit, dass ein Stuhl, ein Tisch und Anrichten für die Möbelindustrie wachsen, ist die Forschung heute noch nicht. Doch vieles scheint möglich, wenn das Verfahren und die alle Wachstumsparameter eines Tages gründlich erforscht wurden. Doch die Vorteile dieser Forschung sind heute bereits vielversprechend und gewaltig:

Das gewünschte Gewebe kann schnell wachsen, seine Form als auch Qualität ist gezielt beeinflussbar.

Ein Möbelstück beispielsweise könnte – undabhängig von Klima und Jahreszeit – in jede gewünschte Form wachsen. Kein Pflanzenteil würden als Abfall übrigbleiben. Auch schädliche Umwelteinflüsse, wie Überdüngung oder extensiver Verbrauch von fruchtbarem Land, würden der Vergangenheit angehören.

Das Beste daran: Das Verfahren ist nicht auf die Erzeugung von Holz beschränkt.

Jedes pflanzliche Gewebe käme für diese Art der Produktion in Betracht. Vielleicht werden irgendwann im Weltraum, auf dem Mond oder auf dem Mars sogar Lebensmittel so hergestellt. Nur aus ein paar Zellen und ganz ohne Ackerland.

Mehr darüber erfahren hier geht es zur Studie.

 

 

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