Künstliche Intelligenz: Werden wir alle dumm und arbeitslos?

Illustration und Text von Susanne Gold

Unternehmen aller Art nutzen heute künstliche Intelligenz, um die Nachfrage zu prognostizieren, Arbeitskräfte einzustellen oder Kundenbedürfnisse zu erkennen.

Künstliche Intelligenz ist ein Milliardengeschäft. Google erklärte sogar, dass KI mehr für die Menschheit ändern wird, als einst die Entdeckung von Feuer oder die Nutzung von Strom.

Bisher ging es um die technische Machbarkeit und der Nutzen von KI in Produktionsstätten. Mittlerweile wird vor allem die Auswirkung von KI auf die Arbeitswelt kontrovers diskutiert.

In Deutschland steckt die Entwicklung von KI in Unternehmen vergleichsweise noch in den Kinderschuhen. Kleinere Betriebe setzen bisher noch relativ selten moderne digitale Technologien ein. Und auch in größeren Betrieben variiert ihr Einsatz stark nach dem jeweiligen Wirtschaftszweig.

Aber: Die Ruhe vor dem Sturm sollte nicht über die Bedeutung der Entwicklung hinwegtäuschen.

Eine der einflussreichsten Unternehmensberatung der Welt, McKinsey, veröffentlichte im Jahr 2018 eine Studie, nach der bis zu 30 Prozent der Arbeitnehmer weltweit in den nächsten Jahren durch KI ersetzt werden könnten. Das sind rund 800 Millionen Menschen, die ohne Job dastehen würden.

Eine andere Zahl: Der chinesische KI-Guru Kai-Fu Lee erklärte im Januar 2019, dass in den nächsten fünfzehn Jahren 40 Prozent der Jobs wegfallen könnten. Durch den technologischen Wandel entstünden zwar auch neue Jobs, aber diese seien hoch qualifiziert und kaum von gering ausgebildeten Menschen zu bewältigen.

Was einerseits wie Dystopien klingt, ist andererseits auch hervorragende Werbung für das Produkt KI. Denn Konzerne versprechen sich durch den flächendeckenden Einsatz von KI weitere Gewinnmaximierung.

Manche sind sicher, dass viele Menschen ihre Jobs aufgrund künstlicher Intelligenz verlieren oder zumindest mit ihrer Hilfe weiter ausgebeutet werden. Denn der Einsatz von „klugen“ oder „smarten“ Maschinen mache immer weniger gut ausgebildete Personen nötig, die an oder mit diesen arbeiten würden. Unternehmen wiederum könnten damit immer geringere Personalkosten erreichen. So würden beispielsweise schon heute Paketboten rund um den Globus ausgebeutet, und diese Ausbeutung wurde gerade durch das Wachstum der digitalen Handelsplattformen ermöglicht.

Die andere Fraktion der kontrovers geführten Diskussion um die Zukunft der Arbeit hingegen vermutet, dass die KI großartige Chancen bietet, menschliche Arbeit aufzuwerten. Monotone Aufgaben würden in Zukunft von der KI erledigt werden und dadurch könnte sich die Qualität der menschlichen Arbeit und ihrer Inhalte verbessern.

Hier ist das Argument, dass wir, nur weil wir immer intelligentere Maschinen haben, uns die komplizierten und kreativen Arbeiten nicht abnehmen lassen müssen. Im Gegenteil: Der Einsatz von KI in den Produktionsstätten ist hier wie ein Heilsversprechen. Es fehlt nur an international geltenden Standards und Gütesiegeln für KI, um Sicherheits- und Qualitätsanforderungen zu garantieren und schon würden alle Arbeitnehmer sinnstiftende Tätigkeiten verrichten.

Massenhaft nutzlose Menschen oder Kreativarbeiter: Stehen diese beiden Prognosen tatsächlich im Widerspruch zueinander?

Ist es nicht vielmehr wahrscheinlich, dass ein Teil der Menschen seine Arbeit verliert, während der andere Teil eine sinnstiftende und kreative Arbeit verrichten darf? Die Geschichte lehrt uns, dass technologischer Wandel auf die arbeitende Bevölkerung stets sehr unterschiedliche Auswirkungen hatte – sowohl positive, aber auch negative. Blicken wir heute in die Zukunft, stehen wir mit Sicherheit vor der Gefahr einer Spaltung der Gesellschaft, in welcher auf der einen Seite die technikaffinen Arbeitnehmer und auf der anderen Seite jene stehen, die als Technik-Outsider gelten und für den Arbeitsmarkt nutzlos werden.

Es geht also nicht nur darum, wo wir KI heute einsetzen können, sondern darum, welche Rollen die Menschen in der Arbeitswelt von morgen einnehmen können: In einer Arbeitswelt, die mehr und mehr von KI-Technologien beeinflusst sein wird.

Denn neben der Frage, welche Arbeiten KI für uns erledigen kann, geht es immer auch darum, welche Fähigkeiten der Menschen wir fördern wollen und welche Rollen sie auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft haben sollen. Bezüglich der Rolle des Menschen in der Arbeitswelt von morgen existieren zwei philosophische Denkschulen, die sich mit der Einzigartigkeit eines freien Menschen vor dem Hintergrund intelligenter Maschinen auseinandersetzen.

Hat der Mensch mit der KI seinen eigenen Untergang besiegelt? Zwei gegensätzliche philosophische Positionen.

These der schwachen und der starken KI der neuen Rationalisten

Die schwache KI-These besagt, dass es zwar einen Unterschied zwischen Menschen und Maschinen gibt. Dies aber sei jedoch kein Hindernis, dass Maschinen letztlich alles können werden, was Menschen leisten können. Die Anhänger der starken KI -Thesen gehen sogar davon aus, dass es überhaupt keinen Unterschied mehr zwischen Menschen und KI-Robotern geben wird. Diese legen die Annahme zugrunde, dass das menschliche Gehirn ebenso funktioniert, wie ein komplexer Roboter. Dadurch wird Hirnleistung zu Rechenleistung und macht jede menschliche Handlung bestimmbar. Anders sieht das die Renaissance des Humanismus.

Digitaler Humanismus

Der Philosophie-Professor mit Schwerpunkt Ethik an der Münchener Universität Julian Nida-Rümelin  spricht sich gegen die beiden KI Thesen der Rationalisten aus. In seinem Weltbild ist der Mensch kein berechenbarer Mechanismus, sondern ein freier, autonom handelnder Akteur. Digitale Entwicklungen erweitern die Möglichkeiten des Menschen, ohne sie jedoch zu ersetzen. In seiner Theorie des digitalen Humanismus wägen Menschen moralisch ab und entscheiden unberechenbar.

Unabhängig davon, ob und wie weit sich der Mensch von der Maschine abgrenzen können wird, wir betreten ein neues Zeitalter. Maschinen sind nicht länger passive Befehlsempfänger, sondern intelligente und autonom agierende Wesen, mit welchen wir zusammenarbeiten werden. Jeder Mensch wird künftig mit einer Vielzahl von KIs vernetzt sein. Unser Smartphone ist nur ein Vorgeschmack davon. Daraus ergibt sich eine neue Vielfalt in der Arbeitswelt, eine neue Diversität in den Teams.

Die Optimisten schwärmen heute vom agilen Team, welches sowohl Menschen und Maschinen beinhaltet, und in welchem es keine starren Strukturen mehr gibt. Die Weichen für die Menschen in der Arbeitswelt von Morgen seien mit der „Human Computation“ gestellt, einer Kultur des Miteinanders von Menschen und Maschinen, statt der Dominanz einer der Teilhaber. Erreicht werden könne das durch lernende Organisationen, die ein angstfreies Experimentieren mit KI ermöglichen.

Die Firma Google beispielsweise hat für das angstfreie Experimentieren das Google Art + Culture Institute gegründet, an welchem Künstler mit KI experimentieren können und dabei völlig neue und außergewöhnliche Dinge erschaffen. So schafft Google einen wichtigen Andockpunkt für Experten aller Art und fördert eine innovative KI-Kultur, die Spezialisten und kreative Köpfe anzieht. Interessant ist dies aber nur für jene Menschen, die sich für Technik begeistern. Es gibt aber auch die anderen Menschen, die von solch einer Entwicklung nicht abgeholt werden. Menschen, die Routinen lieben und stets gleichbleibende Aufgaben. Auch diese Menschen müssen in einer neuen Wirtschaft abgeholt werden.

Einmal mehr wird deutlich: Die Diskussion um die KI gleicht einer russischen Puppe. Die kleinste darin dreht sich immer wieder um die Frage: Wer sind wir Menschen im Kern und in welcher Welt wollen wir eigentlich leben?

Künstliche Intelligenz ist zwar auf der einen Seite auf allen Ebenen Maschine und doch immer auch Seismograf unserer inneren Zustände.

Wenn wir heute KI – Systeme in etablierter und kapitalistischer Weise einsetzen, nämlich ausschließlich zur Gewinnmaximierung und Effizienzsteigerung, dann steuern wir auf eine Gesellschaft zu, in welcher alle Wohlstandsgewinne an die Eigentümer der smarten Maschinen gehen und sich die Einkommensschere massiv verschärfen wird. Wir werden in einer Gesellschaft ankommen, in der viele Menschen nutzlos geworden sind. Die soziokulturellen Folgen einer solche Entwicklung werden wir aber alle zu spüren bekommen. Armut ist heute bereits nicht nur Massenmigrationstreiber, sondern auch Kriegstreiber. Relativer Wohlstand hingegen ist ein Garant für Frieden. Bei der Frage um die Zukunft der Arbeit geht es also um nichts Geringeres als den Frieden in der Welt.

Wie könnte eine Lösung aussehen?

Es stehen also die Verheißungen massiver Gewinnmaximierung durch smarte Maschinen einer verarmenden Masse an nutzlos gewordenen Arbeitnehmern gegenüber. Eine Herausforderung, Krise, Gefahr und Chance zugleich.

Der US Ökonom Erik Brynjolfsson stellt sich zur Lösung dieser Herausforderung ein „digitales Athen“ vor. In seiner Utopie übernimmt die KI – wie einst die antiken Sklaven – den freien Bürgern alle Arbeit ab, so dass diese sich ausschließlich kreativen und sozialen Tätigkeiten widmen können. Voraussetzung dafür ist ein bedingungsloses Grundeinkommen. Dies setzt die Bereitschaft der Eigentümer der smarten Maschinen voraus den Gewinn, den sie mit diesen Maschinen erwirtschaften, mit einer großen Zahl nutzlos gewordener Arbeitnehmer zu teilen.

Doch – besteht hier nicht die Gefahr, dass wir Menschen vollkommen abhängig von diesen Maschinen werden ?

Die Antwort auf diese Frage hängt von unserem Handeln in der Gegenwart ab: Für die Zukunft der Arbeit stellt sich genaugenommen die Frage, ob wir generell unser System der Lohnarbeit weiter betreiben wollen, unser kapitalistisches Gesellschaftsmodell insgesamt.

 

Wäre dies nicht die perfekte Zeit, die Weichen für eine völlig neue – utopische – Wirtschaft und Gesellschaft zu stellen?

Eine Welt, in der wir uns entlang völlig neuer Werte aufstellen: Weltweit?

 

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