Wir alle führen es: Ein Doppelleben. Zurück im Reich der Schwerkraft – Erwachen.
Wir erwachen am Morgen und es ist so, als würden wir aus einer anderen Welt zurückkehren. Schemenhaft nur erinnern wir uns an unseren Traum.
Manchmal sind wir darüber froh – weil wir im Schlaf furchtbaren Monstern begegneten – ein anderes mal traurig, weil wir in wundervollen Landschaften unterwegs waren oder fliegen konnten. Oft erinnern wir uns auch gar nicht.
Schwerkraft, Zeit und Raum.
Alle irdischen Bedingungen gelten im Reich der Träume nicht. Doch – Wir leben zwei Leben, denn nur zwei Drittel unserer Lebenszeit verbringen wir in der Realität, die wir kennen.
Ein Drittel unseres Lebens sind wir im Reich der Träume – Wir schlafen!
Unsere Träume sind noch lange nicht ganz erforscht.
Alle Lebewesen brauchen Schlaf und er ist von lebhaften und teilweise bizarren Traumbildern begleitet. Auch die Tiere schlafen und träumen vermutlich – Schlaf ist unabhängig von Körpergröße und Position in der Nahrungskette. Es scheint, als würde das gesamte Leben des Erdballs noch ein paralleles führen – im Schlaf.
Schlafforschung: Zirkadianen Rhythmus und Rapide Eye Moment (REM)
Unser Schlaf wird erst vergleichsweise kurz wissenschaftlich erforscht.
Neben kulturell bedingten Schlafphasen scheinen wir eine innere Uhr zu haben – unseren sogenannten zirkadianen Rhythmus. Dieser hilft uns, wiederkehrende Ereignisse zu verarbeiten und unseren Stoffwechsel zu regulieren.
Unser Schlafverhalten verändert sich im Laufe unseres Alterungsprozesses. Teenager brauchen vergleichsweise viel Schlaf, ältere Menschen hingegen schlafen oft nur von 21 Uhr bis etwa vier Uhr morgens. Die Wissenschaft vermutet hier einen evolutionsbiologischen Hintergrund, denn durch die zeitlich versetzten Schlafbedürfnisse konnte immer jemand über die Sicherheit der gesamten Familie wachen.
Einen Durchbruch in der Schlafforschung erreichte die Wissenschaft in den 50er Jahren des vergangen Jahrhunderts, als der „Rapide Eye Moment (REM)“ entdeckt wurde. Dies bezeichnet ein schnelles Augenrollen hinter geschlossenen Lidern. In dieser Phase kehrt das Gehirn aus dem Tiefschlaf zurück und ist ebenso wach, als würden wir gar nicht schlafen. In dieser Phase scheinen wir die meisten Bilder in Form von Träumen zu sehen.
Wissenschaft und Spiritualität – Im Traum verbunden mit allen anderen?
Carl Gustav Jung vertrat die Ansicht, dass wir neben einem individuellen, über ein kollektives Unterbewusstsein verfügen, das in unseren Träumen zum Vorschein kommt.
Er glaubte, dass in diesem kollektiven Unterbewusstsein alle Erinnerungen seit dem Beginn der Menschheit gespeichert sind, wie in einer Art Archiv.
Für ihn waren Träume die Seele der Menschen – wir träumen für die Welt und jeder Mensch, der einst lebte, hat mit seinen Träumen zu diesem kollektiven Unterbewusstsein seinen Teil beigetragen.
Im Traum können wir zu Verstorbenen Kontakt aufnehmen.
In seiner Philosophie sind wir, in dem Moment, in dem wir in den Schlaf abgleiten, Teil eines riesigen telepathischen Netzwerks von Menschen und schweben mitten in Milliarden von Jahren aus Erinnerungen, eingebettet in die Seele der Welt.
Für Jung geben wir unsere individuellen Bedürfnisse und unseren Egoismus an dem Tor zum Reich der Träume ab und schlafen für die gemeinsame Erinnerung und dafür, dass die Welt durch uns träumen kann.
Bilder der Träume sichtbar machen mit künstlicher Intelligenz?
Bereits im Jahr 2012 gelang es am Zentrum für Neuroinformatik in Kyoto, Trauminhalte in Echtzeit aus dem Kopf eines Schlafenden zu lesen. Der Forschungsleiter, Yukiyasu Kamitani, verwendete einen Scanner, der die Aktivität in verschiedenen Hirnregionen während des Schlafes aufzeichnete. Es zeigte sich, dass diese Aktivitäten sich unterscheiden, je nachdem, ob wir z.B. in ein Gesicht blicken oder einen Gegenstand sehen. Dabei gleichen die Aktivitäten im Gehirn dem tatsächlichen Erleben im wachen Zustand.
Daraus erstellte das Team in Kyoto eine Art Album mit bekannten Aktivitätsmustern und konnten daraus ablesen, wovon die Probanden gerade träumten. Geprüft wurden ihre Annahmen, in dem sie die Schläfer weckten und sie fragten, wovon sie geträumt hatten. In 60% der Fälle hatten konnten sie von den Gehirnaktivitäten korrekt auf den Traum schließen.
Einen neuen Durchbruch in der Traumforschung erreichten Wissenschaftler der Kyoto University des ATR Computational Neuroscience Laboratories.
Diese haben einen Deep Learning Algorithmus entwickelt, der in der Lage ist, Bilder aus dem Gehirn von Menschen zu reproduzieren.
Noch sind diese Bilder, die bei der Messung der Gehirnaktivität durch fMRI (funktionelle Magnetresonanztomographie) ermittelt werden, schemenhaft. Dennoch ist davon auszugehen, dass sie darstellen, was der jeweilige Mensch gerade sieht.
Sie müssen die Träumer also bald nicht mehr befragen, um die Bilder mit der Gehirnaktivität abzugleichen– sie können die Bilder des Traumes selbst sichtbar machen!
Ein trainiertes neuronales Netzwerk – DNN
DNN – Deep Neural Network – kann die Bilder und Formen rekonstruieren, die ein Mensch sieht. Das Netzwerk wurde mit 1000 Fotos und drei Personen die binnen zehn Monaten in einem MRT (Magnetresonanztomograh) ihre Gehirnaktivitäten messen ließen, trainiert.
Es wird erwartet, dass die bisher noch unscharfen Ergebnisse künftig immer weiter verbessert werden. Dazu sollen hochauflösende, bildgebende Verfahren genutzt und die DNN weiter trainiert werden als auch der Algorithmus modifiziert.
Bei erfolgreicher Fortführung dieses Forschungsvorhabens sollte es möglich werden, die Bilder aus dem Kopf eines Menschen deutlich sichtbar zu machen.
Wenn diese Technik für die Reproduktion von Traumbildern genutzt werden könnte, werden wir möglicherweise einen Blick in das kollektive Bewusstsein – so wie Jung es verstand – der Menschen werfen.
Wir werden das andere Leben sehen, das wir alle miteinander führen – wenn wir träumen.
Nichts verpassen? Trage Dich mit Deiner e-mail Anschrift als AbonnentIn ein.