von Isabelle Reiff
2018 war es so weit
Schicht im Schacht, der letzte Spaten fiel, der Kohleabbau im Ruhrgebiet wurde für immer gestoppt. „Endlich“, dachten sich diejenigen, die ein Heidengeld dafür zahlten, das Wasser, das in diese Gruben sickerte, herauszupumpen. Sie schalteten die Pumpen ab – Hunderte – jeden Monat eine. Den Berechnungen nach waren die höher gelegenen Hohlräume komplett miteinander verbunden. Das gemessene Gefälle Richtung Westen würde für einen natürlichen Abfluss sorgen: Das aufsteigende Grubenwasser ginge ganz von selbst den Rhein runter …
Wasser marsch
Es gab genügend Zweifler und Umweltschützer, die dagegen protestierten. Doch dann trat ein Rüstungskonzern auf den Plan. Dem kam der überflutete Untergrund gerade recht. Er stellte der damaligen TU Dortmund Milliarden Drittmittel in Aussicht: Von dem Geld sollte ein Projektteam eine Unterwasserbahn konstruieren. Die Abnahme von Replikaten des erfolgreich getesteten Prototyps wurde garantiert. Dagegen waren alle Argumente machtlos. Der erste Streckenabschnitt zwischen Dortmund-City und Technologiepark wurde 2025 fertig – ein Jahr vor der Aufzeichnung „UhrZeit„.
Smart City at its best
Wer hätte gedacht, dass diese Unterwasserbahn eine letzte Zuflucht bieten würde vor der immer umfassenderen Kontrolle durch intelligente Wearables? Dortmund entwickelte sich zum Vorreiter auf dem Gebiet der Smartwatch-gestützten Bürgeroptimierung: Ein ausgefeiltes Bonussystem brachte jeden einzelnen dazu, ein Leben ohne Schwächen zu führen. Doch hundert Meter unter der Oberfläche, eingeschlossen in Millionen Liter kaltes Grubenwasser, tickte diese Technik aus – und wer wusste wie, konnte sein Level ganz ohne Leistung in die Höhe treiben.
Ahnungslose Jetztzeit
2118 erinnert sich keiner mehr an die vier Jugendlichen, die dieses Know-how damals in ihrer Hood verbreiteten. Dabei entwickelte einer von ihnen später ein Verfahren, das Untergrundwasser von Giftstoffen zu befreien. Der untertage verkappte Müll hatte sich nämlich sukzessive aus seinen Betonbehältern gelöst. Wohl noch heute sind im Untergrund ungezählte robotergesteuerte Supermolche am Filtern und Aufbereiten. Die Unterwasserbahn wurde kein einziges Mal repliziert. Als rauskam, dass sie eine Sicherheitslücke darstellte, hat man die Zugänge versiegelt. Wahrscheinlich haben die Supermolche sie inzwischen assimiliert.
Quellenlage ungesichert
Das Ruhrgewässer wird jetzt offiziell zu den größten Seen Europas gezählt. Mit seinen rund fünfzig Inseln – früher angeblich „Halden“ genannt – gehört es zu den beliebtesten VR-Teleportationsattraktionen. Die kunstvollen Bauwerke obenauf sind nach wie vor ein Faszinosum. Die einen halten sie für Mahnmäler der verunglückten Bergarbeiter. Andere behaupten, es handele sich zumindest teilweise um Sendestationen aus der Zeit des Mobilfunks. Informationen darüber fehlen. Der elektromagnetische Puls liegt jetzt bald 100 Jahre zurück. Bisher wurde nur ein Bruchteil der verlorenen Daten wiederhergestellt. Kürzlich haben Tec-Taucher aber mehrere DVD-Cases geborgen. Das Lesegerät aus Übersee soll in sechs Wochen hier ankommen.
Kommentare