Besitzlos nach der großen Flut – die Welt in hundert Jahren

von Mirjam Usbeck

Es wird heller

Wir schreiben den 23. Februar 2118

Heute morgen las ich in den Erinnerungen meiner Urgroßmutter, nach der ich benannt wurde, wie sie sich die Welt in 100 Jahren vorstellte.

Seltsam, wenn ich nun versuche mir vorzustellen, die Zeit 100 Jahre zurück zu drehen in die Zeit und Gedankenwelt meiner Urahnin.

Vor hundert Jahren muss die Welt ein Horror gewesen sein

Eine Horrorvision einer Welt voller gefühlloser, roboterhafter Wesen mit Microchips hinter den Ohren haben sie damals aufgeschrieben ohne zu wissen, dass jeder ihrer Gedanken diese Vision wirklicher und wahrscheinlicher macht.

Die Macht der Gedanken

Gedanken sind Macht – das haben sie doch damals gewusst, jedenfalls steht es in all den gespeicherten Aufzeichnungen, die wir über die Zeiten retten konnten. Auch stand da schon häufig geschrieben, dass die Lösung tief im Inneren liegt.

Daher wissen wir bis heute nicht ganz genau, wie es damals zur globalen Katastrophe kommen konnte.

Mit den dunklen Gedanken und den beängstigten Nachrichten eskalierte die Entwicklung bis es zur großen Flut kam

Es ist für mich kaum vorstellbar, was das für die Menschen damals bedeutet haben musste, besonders für jene, die nicht den sicheren Ort in ihrem Inneren und in einem liebevollen und freien Miteinander kannten.

Viele vergingen ohne gelebt zu haben

Die Lebendigen, zu denen auch meine Ahnin zählte, rückten näher zusammen und sie begannen miteinander zu teilen, innere Orte zu besuchen, an denen ein Mensch lange Zeit ohne Nahrung und Wärme existieren konnte.

Nur sehr langsam begannen die Wärme und das Feuer unseres Planeten sich wieder mit der kleinen Wärme von uns Menschen zu verbinden

In dem Maße in dem es den Menschen gelang, auf ihren Besitz und auf auf Macht und Einzigartigkeit zu verzichten, fing tief im Inneren unserer Welt ein neues wärmendes Licht zu leuchten an und die nach Unwetter und Erdbeben erkaltete Welt wieder zu durchdringen.

Die Erde sprang auf und barst an vielen Stellen, so dass wärmendes Licht durch tiefe Spalten und Risse zu uns zurück gelangen konnte

Unsere zauberhaften Ozeane aus Feuer wurden geboren und mit ihnen urgewaltige Feuerschlangen, die selbst ich nur aus gebührendem Abstand betrachten kann.

Liebende Menschen leben hier heute miteinander und in sich geborgen auf neuem Heimatboden den sie dankbar bewirtschaften.

Als Ahnenforscherin frage ich mich, woher die uralte Geschichte der damaligen Menschen stammt, die sie sich erzählt haben von einer ersten Vertreibung aus einem Paradies

Haben auch unsere Urururahnen sich selbst vertrieben? Welche verbotene Frucht hatten diese außerhalb ihrer selbst gesucht, die zur Vertreibung aus der paradiesischen Liebe geführt hatte?

Meine Urgroßmutter hatte damals vor 100 Jahren ein Haus auf dem Land

Es ist heutzutage eine seltsame Vorstellung, Besitzansprüche auf ein Stück Land zu erheben. Für mich liest sich das wie ein gescheiterter Versuch, einen Zaun um ein vermeintliches Paradies zu bauen und es damit von innen heraus zu zerstören.

Vielleicht haben wir heute, nach der Katastrophe mehr Paradies miteinander denn je. Gemeinsam nutzen wir unser wertvolles Wasser und bewirtschaften unser Land. Technische Erfindungen dienen heute ausschließlich unserer Kommunikation und unserer Lebensfreude.

Schon vor 100 Jahren hatten die Menschen das wichtige Wissen

In öffentlichen Medien schrieben und schrien Alle in die Welt hinaus, dass Liebe, Vertrauen und Miteinander das Wunder des Lebens gestalten können.

Interessant, dass daraus ein unausgesprochener Krieg entstanden ist; anstatt dieses heilige Wissen einfach umzusetzen bildeten die Menschen konkurrierende Gruppen in denen es scheinbar darum ging, wer den Gral gefunden hatte und dafür in größerem Maße gesehen und geliebt werden sollte als die Anderen.

Selbst meine Urahnin hat es sich nicht immer leicht gemacht auf ihren Besitz zu verzichten. So Viele waren damals von Angst erfüllt, nicht genug zu bekommen und nicht genug zu sein.

Ich bin sehr dankbar, dass wir heute diesen Zweifeln keinen Raum mehr geben

Wir lieben unsere Momente, unsere Sinne, unsere Nahrung, unsere Körper, unsere Kinder – und natürlich unsere Ahnen, denen wir diese Welt und auch die Teilhabe an deren tiefen Erfahrungen verdanken.

Unsere wundervollen Ahnen sind für uns durch Dunkelheit, Kälte und durchs Feuer gegangen, damit wir heute unsere Welt in jedem Augenblick neu erschaffen und erleben können.

Im Tagebuch meiner Urgroßmutter habe ich gelesen, dass auch sie in ihrem Leben zunächst durch viel Dreck und Schlamm und Blut gehen musste um die andere Seite wirklich schätzen und sehen zu lernen und dankbar für alle Kleinigkeiten zu sein, die ihr das Leben dann schenkte.

Ich bin sehr dankbar, diese kollektiven Erfahrungen in mir fühlen zu können und unsere Welt durch alle ihre Risse und Verletzungen immer wieder neu Strahlen zu sehen.

Bis zu den Sternen leuchten wir heute –

Damals war das ein Name meiner Urgroßmutter, wenn sie Geschichten erzählte aus finsteren und fernen Zeiten, die doch immer noch Raum für ein Leuchten im Inneren eines jeden Menschen ließen.

 

 

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