„Diese Welt wird durch Lachen gerettet“

Text: Nina Beier

Lockdown, Ausgangsbeschränkungen, Maskenpflicht – das Coronavirus hat unser Leben in den letzten Monaten ganz schön auf den Kopf gestellt. Die folgende Reportage ist vor dieser doch sehr ungewöhnlichen Zeit entstanden. Eine Momentaufnahme aus Zeiten vor Corona.

Wenn Feriha lacht, dann ist das laut und herzlich. Das haben ihr schon viele Menschen gesagt, auf der Straße oder im Bus. „Sie lachen so schön!“, sprechen sie Feriha dann an. Und Feriha antwortet: „Das können Sie auch!“ Seit sieben Jahren besucht sie jeden Sonntag den Lachtreff im Münchner Westpark. Hier treffen sich fremde Menschen eine Stunde lang, um unter Anleitung zu lachen. Lachyoga nennt sich das.

Das Wetter meint es heute gut mit dem Lachtreff. An diesem milden Tag im Februar sind fast vierzig Menschen zum Lachen in den Westpark gekommen. Die meisten von ihnen sind schon älter, schätzungsweise über sechzig, aber auch ein paar jüngere Gesichter sind dabei. „Wir machen das hier, weil Lachen gesund ist und weil wir zu wenig lachen“, erklärt Lachtrainerin Cornelia Leisch den Neulingen zu Beginn.

Lachtreff
Jeden Sonntag trifft sich Cornelia Leischs Lachtreff im Münchner Westpark – zumindest war es so vor Corona-Zeiten. (Foto: Cornelia Leisch)

Heute ist Feriha mal wieder die Erste am Treffpunkt. In ihrem übergroßen, schwarzen Daunenmantel und einer blauen Wollmütze über den kurzen, grauen Haaren sitzt die 66-Jährige auf einer weißen Metallbank und wartet. Sie ist immer ein paar Minuten vor Beginn da. „Damit keiner das Lachen verpasst, weil er es nicht findet!“, erklärt sie. Ihr selbst gäbe das Lachen so viel. Für sie gibt es hier keine Sorgen, keine Schmerzen, keine Einsamkeit. Mit ihren dunkelbraunen Augen sucht Feriha die Umgebung nach neuen Besuchern des Lachtreffs ab. „Seid ihr zum Lachen da?“, fragt sie zwei Frauen mittleren Alters, die sich zunächst ein wenig unsicher annähern. Bingo, sie sind es.

Lachen für die Lebensfreude

Man sieht ihr irgendwie an, dass sie Lachtrainerin ist. Cornelia wirkt fröhlich und farbenfroh: Zu ihren rotgefärbten, schulterlangen Haaren trägt sie einen roten Stoffmantel und einen orangen Schal. Am meisten verraten sie aber ihre Lachfältchen, die sich von Mund und Augen aus fächerartig auf ihrem Gesicht ausbreiten. Sie selbst kam zum Lachen aus einer vollkommen überfordernden Lebenssituation heraus: Nachdem sie 13 Jahre lang im Ausland gelebt hatte, kehrte sie 2001 als alleinerziehende Mutter nach München zurück. Die Lebensfreude fehlte ihr, sie fühlte sich hilflos und verlassen. Dann entdeckte sie das Lachen für sich, ließ sich zur Lachtrainerin ausbilden und übernahm schließlich die Lachgruppe ihrer Vorgängerin. Viele, die hierherkommen, haben eine ähnliche Lebensgeschichte, oft geprägt von Einsamkeit, Krankheit oder Depression.

Cornelia hat die Truppe zu einem großen Kreis zusammengetrommelt. Los geht es mit einer Namensrunde: Jeder soll der Reihe nach seinen Namen sagen und dann lachen. Hier sieht man gleich, wer schon geübt im Lachen ist und wer nicht. Während alte Hasen wie Feriha sofort lauthals loslachen, grinsen manche der Neuen noch ein wenig beschämt in die Runde.

Jeder Anfang ist schwer

Wer neu hierherkommt, muss erstmal eine Hemmschwelle überwinden. Auch bei Feriha war das damals so. „Ich dachte, die bringen uns ins Irrenhaus!“, erinnert sich die gebürtige Türkin an ihr erstes Treffen. Es ist ein komisches Bild, das sich einem im Westpark bietet: Da steht dieser bunte Haufen von Menschen im Kreis und bricht dabei in schallendes Gelächter aus, das selbst das Schnattern der Gänse und Enten im Park übertönt. Manchmal laufen die Leute auch wild durcheinander, immer begleitet von Lachen oder irgendwelchen Ausrufen wie „Oh, das fühlt sich so richtig gut an!“ und Gestiken.

Die Lachyoga-Übungen, die Cornelia anleitet, lassen sich immer einer von vier Kategorien zuordnen. Bei Koordinations-Übungen klatscht man zum Beispiel in die Hände und sagt dabei „hoho hahaha“. Es gibt auch Atemübungen. Positive Verstärker hingegen sind Einwürfe wie „Yes!“. Die letzte Kategorie ist die Einladung zum Spiel, bei der die Interaktion mit den anderen im Vordergrund steht. Ganz wichtig hierbei: Blickkontakt!

Das macht Cornelia sich heute mit einem „München-Special“ zunutze: Zunächst sollen alle so tun, als wären sie Münchner. Keiner schaut sich an. Keiner spricht. „Jetzt schalten wir um auf Westpark-Lachgruppe!“, ruft Cornelia plötzlich in die Stille. Schlagartig wandelt sich das Bild. Sofort schauen sich die Teilnehmer gegenseitig an, und sie lachen. Überall sind glückliche Gesichter.

Lachen setzt Hormone frei

Dass Lachen dem Körper und dem Geist guttut, lässt sich wissenschaftlich belegen. Eine Studie, die 2017 im „Journal of Neuroscience“ veröffentlicht wurde, zeigt, dass beim Lachen Glückshormone im Gehirn freigesetzt werden. Dadurch können auch Schmerzen gelindert werden. Feriha erlebt es selbst jeden Sonntag. Man sieht es der kleinen Frau nicht an, aber sie hat das Fibromyalgiesyndrom. Betroffene dieser Krankheit leiden unter chronischen Muskelschmerzen. „Beim Lachen spüre ich die Schmerzen nicht.“ Doch nicht nur deshalb ist das Lachyoga für Feriha so wertvoll geworden. Für sie zählt vor allem auch die Gemeinschaft.

Diese kommt am Ende der Stunde besonders zum Vorschein. Da rücken alle nochmal näher zusammen, jeder hakt sich bei seinem Nachbarn ein und schließt die Augen. Dann wird frei gelacht, zwei bis drei Minuten dauert das an. Als alle die Augen langsam wieder öffnen, sehen sie sehr zufrieden aus.

Feriha strahlt. „Diese Welt wird durch Lachen gerettet“, davon ist sie überzeugt. „Wenn jeder ein bisschen lächelt, gibt es keine Feindgefühle mehr.“ Sie hat sich entschieden, ihr Leben mit Lachen zu verbringen. Wohin sie geht, trägt sie es mit sich. „Sie lachen so schön!“, sprechen die Leute sie dann an. Und Feriha sagt: „Das können Sie auch!“

Und nun? Zumindest in dieser Form kann das wöchentliche Lachen jetzt nicht mehr stattfinden.

Inzwischen bietet Cornelia Leisch virtuelle Lachtrainings an. Eine ungewohnte Erfahrung, wie sie sagt.

Zoom-Lachen
In Corona-Zeiten wird alles virtuell. Auch Lachtreffen. (Foto: Cornelia Leisch)

„Ich muss gestehen, ich konnte es mir überhaupt nicht vorstellen. Wenn wir uns in echt treffen, kommen wir uns ja sehr nahe, körperlich wie emotional. Wir sehen uns direkt in die Augen, wir berühren uns immer wieder kurz. Wir bauen direkte Verbindung auf. Wie soll das bitte am Bildschirm funktionieren?

Zu meiner großen Überraschung konnte ich dann feststellen, es funktioniert doch. Etwas anders, aber trotzdem fühlst du dich verbunden, nicht allein, sondern in Gemeinschaft. Du hast 25 Leute in deinem Wohnzimmer, oder im Büro, die Dich anlächeln. Wann kannst du so was denn im wahren Leben erfahren?

Am Anfang der Corona-Beschränkungen haben wir täglich Lachgruppen gemacht. Wir mussten die Technik besser kennen lernen, ausprobieren, welche Übungen sich für den Bildschirm besser eignen und welche weniger, und jede Menge Fehler machen. Jetzt kann ich sagen, es läuft so gut, dass ich mit Sicherheit das Online-Training zum Teil weitermachen werde, auch wenn wir uns irgendwann wieder im Park treffen dürfen.

Es hat nämlich auch Vorteile. Du hast keine Anfahrtswege. Manche Leute machen einfach eine Arbeitspause im Home-Office, um bei einer Lach-Session dabei zu sein. Es können Leute mitmachen, die nicht aus München sind.

Ich habe jetzt sogar angefangen, mit meinem Lehrer Sebastien Gendry, der in Kalifornien sitzt, einen internationalen Lach- und Gesprächskreis anzufangen. Erst gemeinsam lachen und dann in Kleingruppen sich über bestimmte Fragen austauschen, und einfach zuhören. Es scheint, das ist genau das, was viele Leute jetzt brauchen.“

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