Illustration Angela Smets/ Text Susanne Gold
In dem Film der sechs Millionen Dollar Mann von 1974 wurde ein Mann, der kaum noch am Leben war, wieder zusammengebaut. Was damals Science-Fiction war, ist heute zunehmend Realität. Wir haben bionische Ohren, künstliche Befruchtung und Gliedmaßen, Herzschrittmacher, Implantate aller Art und werden voraussichtlich weiter mit unseren Maschinen verschmelzen.
Seit einiger Zeit sind wir bereits dabei, unseren Körper neu zusammen zu setzen und um zu arbeiten. Seit Anbeginn der Menschheit haben wir uns an verschiedene Umgebungen und Lebensbedingungen angepasst. Ebenso lange versuchen wir, unsere Gesundheit, Schnelligkeit, Stärke und geistigen Fähigkeiten zu verbessern.
Langes Leben statt früher Tod
Früher hatten die Menschen überall auf der Welt viele Kinder. Da die Lebensbedingungen insgesamt schwierig waren, starben viele Menschen schon in jungen Jahren. Ab ca. 1750 haben sich die Lebensumstände durch Fortschritte in der Landwirtschaft und Medizin verbessert und die Sterberaten begannen zu sinken. Die kinderreichen Jahrgänge der Vergangenheit werden zu altenreichen Jahrgängen der Gegenwart und Zukunft, denen immer weniger Geburten gegenüberstehen. Flexible und mobile Greise könnten mit ihrem fundierten Wissen einen wesentlichen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben liefern. Kein Wunder also, dass die Medizintechnik besonders nach Lösungen sucht, die Gebrechen des Alters zu mindern.
Die Medizin ist die einzige Profession, die unaufhörlich an der Zerstörung ihrer Existenzgrundlage arbeitet (James Bryce, Politiker und Diplomat)
Künstliches Herz, Leber, Niere und Blut
Ob Kunststoffknochen, menschliche Körperteile aus dem Labor oder dem 3D Drucker, Kontaktlinsen mit Datenfenstern, erweiterte Realität oder künstliche Haut: Die Technologisierung der Diagnose- und Therapieangebote ist aufgrund der Synergieeffekte von Informationstechnik, Gentechnik, Molekularbiologie und Pharmakologie in vollem Gange. Schließlich stellt die Gesundheit für die Menschen das wichtigste Gut dar.
Interdisziplinäre Medizintechnik
Aufgrund der neuesten Entwicklungen der Medizin, die mit vielen anderen Disziplinen verbunden ist, wie zum Bespiel die Nanotechnologie und Materialwissenschaften werden die meisten Zukunftsvisionen heute bereits in den Forschungs- und Entwicklungslaboren der Welt umgesetzt. Der gesunde, modifizierte Mensch ist das Ziel.
Wenn wir Menschen uns heute für die Spitze der Evolution halten, kann man wahrscheinlich leise ein hybrides Wesen der Zukunft lachen hören.
Gerade in der Medizintechnik sollte man niemals nie sagen – scheinbar unumstößliche Wahrheiten können hier von einem Tag auf den anderen über den Haufen geworfen werden. (Ulrich Eberl, Wissenschaftsautor und Physiker)
In unserer Medizin spiegelt sich nicht nur der Stand unserer Wissenschaften, sondern auch unsere Ethik und Moral.
Unser zivilisatorischer Fortschritt kann im besonderen Maß daran gemessen werden, wie wir mit den schwächsten Mitgliedern unserer Gesellschaft umgehen. Wie sehr deren Schutz in unserer Moral verankert ist, zeigt sich indem derzeitigen weltweiten Lockdown. Weltweit bleiben viele gesunde Menschen zum Schutz der schwächeren zuhause, um diese nicht mit dem COVID 19 zu infizieren. Heute gilt nicht nur in der Medizinethik das Leitprinzip der Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens, welches als ein Geschenk in allen seinen Phasen – auch in Krisen – unbedingt zu verteidigen ist.
Überall auf der Welt konzentrieren sich Forscher auf Innovationen, die das Leiden der Menschen mindern oder gar heilen können.
In unserer Informationsgesellschaft ist die Bedienung eines Computers neben Lesen, Schreiben und Rechnen längst zu einer Kulturtechnik geworden. Kein Wunder also, dass die Technologien in besonderem Maße in der Medizin Einzug halten. Ein spezieller Bereich der Medizintechnik ist die Entwicklung von Hilfsmitteln für behinderte Menschen. Ihnen soll damit möglichst viel von dem (zurück)gegeben werden, was ihnen fehlt.
Mobilität und persönliche Freiheit!
Stephen Hawking, Prof. Sang-Mook Lee oder Mario Marusic alias DeeJay Ridinaro stehen Zeugnis dafür, wie wichtig es ist, allen Menschen mit Behinderung einen barrierefreien Weg in die Welt und der Nutzung von Informationstechnologien zu ebnen. Was vor zwei Jahrzehnten noch als Visionen einzelner Pioniere hervorgebracht wurde, hat sich heute längst zur eigenen Fachbranche mit einer Fülle an technisch ausgereiften Lösungen entwickelt.
Ein junger Forscher der KAUST Universität hat sich in besonderem Maße diesem Ziel verschrieben. Abdullah Almansouri will mit seiner Forschung behinderten Menschen größtmögliche Freiheit schenken. Er sagt, dass es ihn glücklich macht, wenn er ein Stück dazu beizutragen kann, die „Welt zu einem besseren Ort“ zu machen.
Almansouri, der bereits einige Preise abräumte – wie beispielsweise auf der ICM Konferenz 2018 oder der MMM-Intermag-Konferenz 2019 – beschäftigt sich dafür hauptsächlich mit drahtloser Stromversorgung und Sensorik.
Bei seinen Anwendungen konzentriert er sich auf die Einsatzmöglichkeiten der magnetischen Haut, welche die Verfolgung von Augenbewegungen und die berührungslose Steuerung von Geräten ermöglicht.
Sein ultimatives Ziel dabei ist, Menschen mit schweren Formen körperlicher Behinderungen wie Quadriplegie oder Tetraplegie zu helfen, mehr Lebensqualität durch mehr Freiheit und Mobilität zu erreichen.
Menschen, die weder ihre Hände noch Beine benutzen können, soll seine Entwicklung helfen, selbständig das Licht einzuschalten oder eine Tür zu öffnen.
Um dies zu ermöglichen, entwickelte er einen Prototyp der magnetischen Haut für Schwerbehinderte, welche für den Träger angenehm zu tragen ist.
Diese Haut darf man sich als eine „tragbare elektronische Tätowierung“ vorstellen. Um sie herzustellen, mischte Almansouri Elastomermatrix mit Magnetpulver und ließ es bei Raumtemperatur trocknen. Danach magnetisierte er das entstandene Material mit Elektro- und Permanentmagneten, je nach beabsichtigter Anwendung, um das System schlussendlich mit einem Magnetsensor für die zahlreichen Standardlösungen zu vervollkommnen.
Socialdistancing: Zahlreiche Einsatzmöglichkeiten
Seine Innovation wurde bereits für den Einsatz in Schlaflabors getestet, in denen mit ihrer Hilfe Augenbewegungen verfolgt werden konnten.
Doch nicht nur dort ist der Einsatz dieser Entwicklung denkbar, sondern überall dort, wo aufgrund der Gefahr einer Kontamination Abstand gehalten werden muss, beispielsweise in Labors, Krankenhäusern und Operationssälen.
Gerade erleben wir eine Zeit, in der wir alle erfahren, wie wichtig es ist über Distanzen hinweg aktiv bleiben zu können. Der Wert einer solchen Innovation für die moderne Medizin liegt auf der Hand.
Über die Autorin: Gründerin und Inhaberin des Zukunfts- und Wissenschaftsblog „Utopiensammlerin“. Die Zukunftsforscherin und Wissenschaftsjournalistin ist Vortragsrednerin und setzt sich für ein neues Verständnis der menschlichen Arbeitskraft und eine erfolgreiche Mensch-Maschine-Kooperation ein. Kontakt aufnehmen? Entweder via E-mail oder folgen Sie ihr einfach auf LinkedIn.