Empfindsam wie der Mensch. Tragbare magnetische Haut.

Illustration Corinna Heumann / Text Susanne Gold

Eine Hand, die zart über das weiche Material eines Stück Samt streicht, die Landung eines Schmetterlings spürt oder zärtlich die Hand eines Anderen ergreift: Fühlen – dem Menschen vorbehalten? Unser menschlicher Tastsinn erlaubt uns, zarteste Berührungen wahrzunehmen. Doch es ist nicht länger das Privileg einer natürlichen Lebensform.

Taktile Sensorik – was ist das?

Seit einiger Zeit bereits beschäftigen sich Forscher damit, in Sensorsystemen dem menschlichen Tastsinn nachzubilden. Diese sogenannten „taktilen Sensoren“ ermöglichen es Maschinen, Berührungen wahrzunehmen. Der Einsatz solcher Sensorsysteme eröffnet zahlreiche Möglichkeiten der Mensch-Maschine Interaktion. Es ist ein großer Markt, welcher überall dort gefragt ist, wo Menschen mit Maschinen interagieren müssen.

Die zartfühlende Maschine.

Besonders im Fokus sind dabei sicherheitskritische Anwendungen – also all jene maschinellen Aufgaben, in der die Zuverlässigkeit und Überwachung des Systems eine entscheidende Rolle spielt. Nämlich dort, wo kein einziger kleiner Fehler begangen werden darf, um die Sicherheit des Menschen nicht zu gefährden. Hier muss eine Maschine zart mit dem Menschen umgehen – ihn „fühlen“ können. Andererseits würde sie diesen durch zu grobe Bewegungen Gefahr bringen. In vielen Produktionslinien, in denen Roboter zusammen mit Menschen arbeiten, spielen diese Sensoren daher bereits eine entscheidende Rolle.

Durch die Möglichkeit des feinfühligen Greifens sind taktile Sensoren bereits in vielen Branchen und Bereichen gefragt.

Keine Wunder, dass der Einsatz der taktilen Sensoren in der Medizintechnik eine ganz besondere und wichtige Rolle spielt. Denn hier geht es nicht nur um die Sicherheit der Patienten, sondern auch um ihre Heilung. Roboteranwendung mit taktilen Sensoren bieten der Medizintechnik besonders viele Einsatzmöglichkeiten. Die medizinische Versorgung heute steht vor vielen Herausforderungen. Sie soll einerseits billiger werden und andererseits von immer besserer Qualität sein. Darum tragen gerade für Medizin und Heilung die neuen Technologien nicht weniger als das Versprechen einer individuellen und gleichzeitig effizienteren medizinischen Versorgung mit sich.

Eine neue Spezies: Verschmelzung von Menschen und intelligenten Maschinen?

Was einst noch Science-Fiction wahr, wird heute in immer wahrscheinlicher. Dank künstlicher Intelligenz können wir bereits unsere Leistungsfähigkeit und unsere Ideen schneller und besser testen. Das macht sich auch in der der Medizin bemerkbar. Unsere Technologien schreiten so rasch voran, dass Menschen ihre Gliedmaßen wieder nutzen und diese über Hirnimplantate steuern und dank Exoskeletten gehen können. Die Symbiose von Computer und Mensch hat bereits begonnen.

Die Technologie unserer Zeit ist viel mehr als nur unser Werkzeug: Sie wird zu einem Teil dessen, was wir sind.

Forscher und Mediziner träumen von ganz neuen medizinischen Behandlungsmöglichkeiten mittels moderner Technik: Ob es darum geht, tauben Menschen ihr Gehör, Blinden ihr Augenlicht, gelähmten oder amputierten ihre Mobilität zurückzugeben – all das kann mit moderner Medizintechnik möglich werden. Einer der Forscher mit dem Traum, Kranken heilen zu können, ist Ahmed Alfadhel welcher an der KAUST Universität in Saudi-Arabien promovierte.

Von der Natur inspirierte Technik: Bionik!

Dafür hat Alfadhel eine bahnbrechende Innovation im Bereich der medizinischen Versorgung geliefert – eine künstliche Haut, die ähnlich sensibel wie die menschliche Haut Berührungen wahrnehmen kann.

Haut 2.0: E-Haut!

Alfadhel entwickelte diese Kunsthaut, die nicht nur Druck, sondern auch ganz zarte Empfindungen, wie das Landen einer Fliege oder den Hauch eines Atems, registrieren kann. Bei der Konstruktion der Haut hat sich der Forscher von der Natur inspirieren lassen. Haarähnliche Strukturen, an deren Enden taktile magnetische Sensoren angebracht sind, nehmen feinste Berührungen wahr. Die Haare der künstlichen Haut hat der Wissenschaftler durch Nanodrähte nachgebildet, die er in ein superelastisches Polymer einbettete, welches die Haut simuliert. Wie ihr natürliches Gegenstück, das Haar, biegen sich diese Nanodrähte bei jeder Berührung und erzeugen einen Impuls, indem sie das Magnetfeld erkennen, das sich in ein elektrisches Signal verwandelt, wenn sie sich biegen. Durch diese Biegung des Nano-Haares auf der künstlichen Haut wird – analog zu den menschlichen Nervenzellen – ein Sensor elektrisch stimuliert, der ebenfalls in das Polymer eingebaut ist.

Erste Testergebnisse erfolgreich.

Erste Versuche zu taktilen Sensoren in Prothesen wurden bereits an der John-Hopkins-Universität in den USA durchgeführt. Zu diesem Zweck wurde einem Mann, welcher über eine Handprothese verfügt, an einem der Finger der Prothese ein einfacher Drucksensor installiert und mit einem Chip in seinem Gehirn verbunden. So wurde es möglich, dass wenn Druck auf den Finger der Prothese ausgeübt wurde, das Gehirn des Probanden stimuliert wurde. Der ambitionierte Forscher Alfadhel, welcher mittlerweile Cheftechnologe in einem halbstaatlichen Unternehmen Saudi-Arabien ist, will diese Technologie noch weiterentwickeln und integrieren, so, dass es einem Probanden mit Prothese darüberhinaus möglich werden würde, wieder den Hauch eines Atems oder das Landen einer Fliege spüren zu können.

Dazu will er diese zu einer Hochleistungshaut ausbauen, welche zahlreiche Sinnesdaten direkt an das Gehirn seines Trägers sendet. Eine solche Technologie, das liegt auf der Hand, könnte allen Menschen helfen, die ihren Tastsinn infolge von Krankheit oder Unfall verloren haben. Diese Menschen könnten so ihren Tastsinn zurückerlangen. Kein Wunder, dass er sich selbst als einen Menschen bezeichnet, der Brücken zwischen Technologie und Industrie schlagen will.

Mit taktilen Sensoren werden die Maschinen von Morgen immer emfpindsamer werden und – wie ihr Vorbild, der Mensch – ihre Umwelt fühlen können.

Über die Autorin: Gründerin und Inhaberin des Zukunfts- und Wissenschaftsblog „Utopiensammlerin“. Die Zukunftsforscherin und Wissenschaftsjournalistin ist Vortragsrednerin und setzt sich für ein neues Verständnis der menschlichen Arbeitskraft und eine erfolgreiche Mensch-Maschine-Kooperation ein. Kontakt aufnehmen? Entweder via E-mail oder folgen Sie ihr einfach auf LinkedIn.

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