von Maike Grunwald
2118 – Nachdenklich blätterte Sofie durch den Geschichtsband
Es war eines dieser wenigen Exemplare, das noch existierte. Zerbrechlich fühlte sich das Papier an, bereit in jedem Augenblick auseinander zufallen. Es war wohl 2070 als entschieden wurde, die Bibliotheken wegen der geringen Nachfrage zu schließen.
Inzwischen gab es diese virtuellen 3-D-Rundgänge, die sie unternehmen konnten. Natürlich funktionierte das alles von zu Hause aus. Große Monitore waren Standard in den Haushalten und nahmen für gewöhnlich eine ganze Wandseite ein.
Die meisten Unternehmer hatten das digitale Konzept umgesetzt
Die Startseite bildete eine Art Spielbrett, wie sie es früher gegeben haben muss. Über die einzelnen Spielfelder gelangte man in einen Laden. Supermärkte, Drogerien, Apotheken – mit einem Klick öffnete sich eine neue Ebene. Von dort aus startete man den virtuellen Rundgang. Da alle Monitore mit einem Touchscreen ausgestattet waren, konnte man die gewünschte Ware ganz leicht in den Einkaufswagen legen.
Für Büchereien funktionierte es ähnlich
Mit einem Fingerprint auf den virtuellen Buchrücken sprang das Buch aus dem Regal und öffnete sich. Auf Wunsch konnte man es sich vorlesen lassen. Natürlich war es auch möglich, mit ihm zu sprechen. „Gehe zu Kapitel 4. Was steht im dritten Absatz auf Seite 46?“ Ein hoch komplexes System der Spracherkennung ließ einen fast vergessen, dass man es mit einem Computer zu tun hatte.
Die Läden vor Ort hatten ihr Angebot stark reduziert
Stattdessen wurde der Lagerraum erweitert. Botendienste waren Standard. Kaum jemand kaufte noch vor Ort.
Es war ein besonderer Moment. In einem abgelegenen Winkel hatte Sofie das Antiquariat entdeckt. Knarrend öffnete sie die Tür. Staubig war es hier. Im Sonnenlicht sah sie die kleinen Partikelchen durch die Luft schweben. Eine ältere Dame saß an ihrem Schreibtisch. Man munkelte, sie sei inzwischen 120 Jahre alt und hätte alle Etappen der digitalen Revolution erlebt.
Sofies Herz schlug schneller. Ehrfürchtig strich sie mit ihrer Hand über die rauhen Buchdeckel, als die Dame ihren Kopf hob und ihr direkt in die Augen schaute.
Gedrucktes lässt sich im Gegensatz zu digitalen Büchern nur schlecht umschreiben.
Liebe Susanne,
vielen Dank für die Veröffentlichung und die Idee für dieses tolle Projekt!
Lliebe Grüße
Maike