Das Labyrinth der Charlotte Reimann – Episode 44

Ein Roman von Mira Steffan

Beschwingt schloss Charlotte die Haustür zur Galerie ab. Seit einem halben Jahr arbeitete sie nun mit Lara Sass zusammen. Eine Arbeit hatte ihr noch nie so viel Freude bereitet. Lara war ein fröhlicher, gradliniger, kreativer Mensch. Mit viel Geduld hatte sie Charlotte mit der Arbeit vertraut gemacht, nahm sie mit zu Künstlerbesuchen und Kundengesprächen, fragte Charlotte nach ihrer Meinung und betonte bei jedem Termin, wie froh sie sei, eine solche Fachfrau an ihrer Seite zu haben. Der Respekt und die Achtsamkeit, mit der Lara sie behandelte, war für Charlotte etwas Neues. Es beflügelte sie bei ihrer Arbeit und sorgte für ein hervorragendes Arbeitsklima. Hinzu kamen die familienfreundlichen Arbeitszeiten und als Sahnehäubchen obendrauf, die interessanten Vorlesungen in der Kunstgeschichte. Heute war Lara etwas früher gegangen, weil sie das Klavierkonzert ihres Sohnes nicht verpassen wollte. Entspannt schlenderte Charlotte zu ihrem Auto. Wie positiv sich ihr Leben entwickelt hatte! Wie schön das Leben doch sein konnte!

Von ihrem Sofa im Wohnzimmer aus, auf dem es sich Charlotte mit einem Buch über den Bonner Maler August Macke bequem gemacht hatte, beobachte sie durch die offene Terassentür ihren Mann und ihre Tochter, die Stiefmütterchen pflanzten. Eine Welle der Zärtlichkeit stieg in ihrem Inneren auf, erfüllte sie von Kopf bis Fuß und flog zu den beiden geliebten Menschen: Das ist das Leben, das ich leben will. Und das lebe ich so gut, wie ich es vermag. Und nicht, wie es andere wollen, dachte sie und ihre Gedanken wanderten zu Susanne und ihrem Spruch, den sie früher immer gerne zitiert hat: „Die richtige Wahl führt zum passenden Leben. Falsche Entscheidungen rächen sich gnadenlos.“

Charlotte schüttelte den Kopf: Blödsinn! Ohne Fehler geht es im Leben nicht voran. Denn die sogenannten Fehler sind in Wahrheit Notwendigkeiten, um danach klarer und stärker durch das Leben zu gehen, hin zu Lebenssinn und Liebe.

 

„Ich habe mich nicht tausendmal geirrt.

Ich habe nur tausend Wege ausgeschlossen, wie eine Glühbirne nicht funktioniert.“

Thomas Alva Edison

 

Ende

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