Das Labyrinth der Charlotte Reimann – Episode 43

Ein Roman von Mira Steffan

„Du gibst auf? Du warst doch gerade richtig gut auf der Karriereleiter unterwegs. Wieso wirfst du schon wieder alles hin?“ Mit hochgezogenen Augenbrauen schaute Susanne Charlotte über den Bistrotisch hinweg an, während die beiden Cappuccino- Tassen unberührt und dampfend zwischen ihnen standen.
Ihrem traditionellen Samstagstreffen wäre Charlotte heute gerne aus dem Weg gegangen. Doch sie hatten sich seit sechs Wochen nicht mehr gesehen. Charlottes Familienausflüge und Susannes Urlaub hatten diese lange Pause erzwungen. Trotzig verschränke Charlotte nun die Arme vor der Brust: „Wenn du das so sehen willst. Mir sind meine Familie und mein Wohlbefinden eben wichtiger.“
Susanne ging auf Charlottes Worte gar nicht ein, sondern fragte: „Musst du denn unbedingt wechseln?“
„Es macht mich glücklich“, sagte Charlotte schlicht und fuhr fort: „ich hatte die Nase voll von den hierarchischen Strukturen im Büro, von dem patriarchalischem System, dem Tratsch und dem Neid und dem Selbstbild vieler Kollegen, die sich für unentbehrlich halten und deren Identifikation mit dem Unternehmen bis an den Zustand der Selbstaufgabe heranreicht. Da konnte und wollte ich nicht mithalten“, nachdenklich knetete Charlotte ihre Serviette: „Weißt du, ich habe mich nicht mehr gespürt.“
„Und das Geld? Daran habt ihr euch doch gewöhnt?
„Naja, ich verdiene doch. Zwar nicht so viel wie früher, aber genug.“ „Du scheinst es dir gut überlegt zu haben.“
„Das habe ich“, sagte Charlotte ruhig.
„Okay, wenn es dich glücklich macht…“ Susanne lächelte schief. „Bleibst du weiter mit mir befreundet?“
Susanne zuckte mit der rechten Schulter und schüttelte leicht den Kopf: „Was für eine Frage. Selbstverständlich. Ich will nur nicht, dass du wieder so ein antriebsloser, unzufriedener Trauerkloß wirst, wie vor einigen Jahren.“

„Nein, die Zeiten sind vorbei“, sagte Charlotte, „es hat zwar gedauert. Aber jetzt weiß ich, was ich will. Veränderungen bauchen eben Zeit.“
„Ich freue mich für dich. Und jetzt erzähl mal von Anfang an.“

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