Text und Illustration von Susanne Gold
Wer die Wahl, hat die Qual: Die Musik-Auswahl bei Spotify scheint schier unendlich zu sein. Offenbar will Spotify künftig bei der Musikauswahl – je nach Stimmung des Hörers – behilflich sein.
Der Musikstreaming-Dienst Spotify verzeichnete im vierten Quartal des Jahres 2020 155 Millionen zahlende Abonnenten weltweit. Mit den werbefinanzierten Usern hat das skandinavische Unternehmen 345 Millionen monatlich aktive Nutzer. Auch die Podcast-Stunden haben sich seit 2019 verdoppelt. Das Unternehmen hat kürzlich ein Patent für eine neuartige Sprachanalyse-Software angemeldet und genehmigt bekommen.
Sprach- und Umgebungsanalyse lassen Rückschlüsse auf die Stimmung zu
Mit dieser Tracking Technologie soll es möglich sein, „Stimmung, Alter und Geschlecht“ der Nutzer zu erkennen und über Rhythmus sowie Intonation der Sprache Details über die Stimmung der App-Nutzer zu erfahren. Dies, so Spotify, könne personalisierte Audio-Empfehlungen künftig möglich machen. Neben der Sprache des Nutzers werden auch Umgebungsgeräusche analysiert. So soll erkannt werden, ob ein Nutzer allein oder in Gesellschaft ist.
Wie funktioniert die Analyse-Software?
In die Datenbasis gehen Verhaltensvariablen, wie die Stimmung des Nutzers, seine bevorzugten Musiktitel und demographische Daten ein. Aus diesen wird zunächst ein Profil generiert, welches die Persönlichkeit des Musikliebhabers möglichst treffend abbildet. Auf Basis der Persönlichkeitsmerkmale sei es dann möglich, so das Unternehmen, personalisierte Empfehlungen – Musik und Podcasts – zu bewerben.
Die Welt hat es zukünftig mit einer Software zu tun, die tief in den Kopf des Hörers gelangt: Neben klassischen Zielgruppenmerkmalen werden der emotionale Zustand, Geschlecht, Alter und Akzent abgefragt und wahrgenommen. Auf Basis aller erfassten Merkmale erstellt die Software geeignete Inhalte.
Das Unternehmen erklärt, dass es durchaus üblich sei, bei Media -Streaming-Anwendungen Funktionen zu implementieren, welche personalisierte Medienempfehlungen ermöglichen. Jetzt aber werden nicht nur die Geschmacksattribute bei dem jeweiligen Nutzer erfragt, sondern direkt über die Spracherkennungssoftware ermittelt.
Eine Software, die die Mathematik von Markov und mit Emotionsstudien vereint
Damit die Software personalisierte Playlists empfehlen kann, werden, so heißt es in dem Patent, akustischen Informationen mit der „Hidden-Markov-Modell-Architektur“ kombiniert.
Der russische Mathematiker Andrei Andrejewitsch Markow hat ein Modell der Wahrscheinlichkeitsrechnung erdacht, welches mit „unbeobachteten Zuständen“ arbeitet. Hierbei fließen neben der Stimmlage des Nutzers Hintergrundgeräusche und Gespräche anderer Menschen, aber auch natürliche Geräusche, wie beispielsweise in einem Park, oder auch technische Geräusche, beispielsweise aus dem Büro, in das Wahrscheinlichkeitsmodell ein.
Alle emotionalen Informationen werden in einer Struktur abgebildet, die sich an einer von dem Emotionsforscher W. Gerald Parrott entworfenen Struktur orientiert. Das bedeutet: Personalisierte Audio-Empfehlungen werden auf Basis früherer Anfragen des Hörers erstellt, sowie auf Grundlage seiner Bewertungshistorie, seiner Links zu assoziierten Profilen, also auch auf Basis der Vorlieben von Freunden und Kollegen
Die perfekte Playlist: Ist jede Empfehlung auch richtig?
Es ist zu bezweifeln, dass eine App tatsächlich immer die richtige Empfehlung abgeben kann. Dies lässt sich am Beispiel der Trauer beschreiben.
Es gibt Ereignisse im Leben, die die Fähigkeit des Trauerns erfordern. Zahlreiche psychologische Studien belegen, dass das Durchlaufen von Krisen und Trauer eine unabdingliche Voraussetzung dafür ist, krisensicher zu werden. Um die Fähigkeit zur Trauer zu entwickeln, ist eine besondere Art der Erinnerungsarbeit notwendig, die die Wiederbelebung vergangener Verhaltensweisen, Gefühle und Fantasien einschließt. Besonders junge Menschen müssen das erst lernen. Hinzu kommt, dass Spotify zwar weltweit gehört, aber in den Regionen unserer Erde sehr unterschiedlich mit Emotionen umgegangen wird. So wirken beispielsweise Trauerfeiern in Mexiko für Europäer ausgesprochen heiter.
Neben Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre lässt sich vermuten, dass diese App zwar Gefühle korrekt deuten kann, nicht aber in der Lage ist, wirklich angemessen zu reagieren.
So manche Playlist könnte eben doch die falsche Playlist sein
Ob und wann diese Software in Betrieb genommen wird, ist unklar. Ein Unternehmenssprecher teilte mit, dass die Software nur eine unter vielen Patentanmeldungen sei und nicht zwingend zu einem Produkt werden müsse: Mehr Details über das Patent kannst Du hier erfahren.