Rüdiger v. Eberstein wurde 1956 in Aschaffenburg geboren. Sein Vater, kriegsversehrter Soldat, arbeitete als Diplom-Chemiker und seine Mutter war Hausfrau. Als Grundschüler fuhr Rüdiger mit dem Rad in die evangelische Volksschule seines Heimatortes. Später mit der Dampflock, „auf die man noch aufspringen konnte“ in ein humanistisches Gymnasium.
Als er 14 Jahre alt war, starb sein Vater an Herzversagen und er zog mit seiner Mutter zu seiner Tante und seinem Onkel nach Südhessen, einem Zucker-Fabrikaten-Ehepaar, die den beiden eine Angestelltenwohnung zur Verfügung stellten. In Hessen machte Rüdiger sein Abitur an einem Gymnasium an welchem „viel Arbeitskampfliteratur gelesen“. Heute sagt er darüber, dass dies dem politischen Zeitgeist dieser Region entsprach, „die von der jungen sozialistischen Bewegung geprägt war“.
Später studierte er Jura in Hamburg und Würzburg. In Würzburg absolvierte er auch sein Referendariat. Ursprünglich wollte Rüdiger Staatsanwalt werden, „blieb aber als sachgebietsleitender Finanzbeamter“ beim Finanzamt für Körperschaften in München „hängen“ und wurde „nicht weiter befördert“. Die mangelnde Anerkennung während seiner beruflichen Laufbahn habe ihm „psychisch nicht gut getan“.
Nachdem 2015 ein Karzinom in seiner Lunge festgestellt wurde, ging er 2016 in Frühpension.
Was treibt Dich an, Rüdiger?
Früher habe ich vieles schleifen lassen. Als Finanzbeamter hatte ich viele depressive Phasen, in denen ich keinerlei Sozialkontakte gepflegt habe. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass mir die mangelnde berufliche Anerkennung und Wertschätzung sehr zu schaffen gemacht hat.
Fehlende Bestätigung hat sich wie lähmender Filter durch mein gesamtes berufliches Schaffen gezogen, wie eine Art depressives Grundrauschen, welches mich daran hinderte, Bindungen aller Art einzugehen. Ich habe nur wenig Freunde und bin unverheiratet.
Als 2015 Krebs diagnostiziert wurde, gab es eine Art Wendepunkt in meinem Leben, ein Erwachen. Gleichzeitig aber auch eine neue Unsicherheit, denn niemand klärt einen so richtig auf. Man bekommt nicht gesagt, wie lange man mit einem solchem Lungen-Karzinom noch leben könnte.
Aus einer großen Erschöfpung und Unsicherheit heraus habe ich mich gefragt, was ich eigentlich vom Leben noch will? Was ich noch machen möchte? Ich will definitv noch mehr tun, als rumzusitzen und auf meinen Tod zu warten.
Ich plane noch einige Reisen zu unternehmen und etwas von der Welt zu sehen. Da ich leidenschaftlich gerne Schach spiele, könnte ich mir vorstellen, bei der Entwicklung eines Online-Schach-Spiels mitzuwirken. Das würde mir Freude machen.
Es geht mir in jeder Hinsicht darum, mich aufzuraffen und die Phantasielosigkeit der letzten Jahre zu überwinden.
Das kann einfach auch nur bedeuten, dass ich meine Wohnung endlich in einer schönen Farbe streichen lasse, all diese kleine Dinge, die eine große Bedeutung haben können.
Für eine Partnerschaft bin ich heute nicht mehr bereit, ich würde mir aber gerne ein soziales Netzwerk aufbauen, ein Teil von etwas sein. Gemeinsam möchte ich noch etwas bewegen.
Der Neo-Liberalismus hat in unserer Gesellschaft so viel kaputt gemacht, ganze Leben zerstört. Das Streben nach Gewinnmaximierung und Shareholder-Value-Denken hat dazu geführt, dass wir rücksichtslos die Natur ausbeuten und fortwährend anderen Regionen unseren westlichen Massenkonsum überstülpen wollen.
Wir nehmen keinerlei Rücksicht auf andere Lebensformen und kuturelle Gegebenheiten, beuten mit unserem Profitdenken andere Regionen aus und wundern uns, dass heute viele Fremde in unser Land kommen. Es wäre viel besser, wir hätten anderen Ländern und Regionen selbst überlassen, wie sie leben wollen. Es sollte mehr Kulturen als die des Neo-Liberalismus geben.
Wir schätzen nichts wert. Überall herrscht Raffgier.
Die Abwärtschleife hat damit begonnnen, dass jeder einen white-collar-job machen wollte. Jeder mit möglichst geringem Aufwand und sauberen Händen viel Geld verdienen, meistens in irgendwelchen Verwaltungsberufen. Keiner wollte zum Beispiel mehr Handwerker werden. Diese blue-collar-Jobs wollte keiner mehr machen.
Die Geringschätzung dieser Tätigkeiten sollte endlich beendet werden. Ein Postbote leistet hervorragende Arbeit, schließlich bringt er mir jeden Tag die Post! Er sollte auch wissen, wie wichtig und wertvoll er für die Gesellschaft ist. Krabben von der Nordseeküste sollten nicht im Ausland gepult werden, nur, weil es dort billiger ist, sondern vor Ort.
Menschen, die öffentliche Toiletten reinigen, sollten angemessen bezahlt und respektiert werden. Es sollte klar sein, dass all diese Arbeiten für unsere Gesellschaft von Wichtigkeit sind. Menschen, die diese Aufgaben erledigen, sollte mit entsprechender Achtung begegnet werden.
Ich wünsche mir, dass auch solche Arbeiten geschätzt und anerkannt werden. Psychisch – aber vor allem auch so, dass diese Leute sich ein angemessenes Leben in einer Stadt wie München leisten können.
Es ist unglaublich, hinter wie vielen Gesichtern sich heute Armut versteckt. Viele Städter können sich nicht einmal mehr so etwas elementares wie eine Wohnung leisten.
Die Höher-Schneller-Weiter-Spirale, dieses Denken in Gewinnmaximierung und Shareholder-Value sollte endlich aufhören. Das Ende des Neo-Liberalismus darf beginnen.
Möchtest Du Kontakt zu Rüdiger aufnehmen? Dann schreibe ihm eine Mail!