Das Labyrinth der Charlotte Reimann – Episode 11

Ein Roman von Mira Steffan

Charlotte schaute sich in ihrem Büro um. Ihr gefiel der rund zehn Quadratmeter kleine Raum und die Fensterfront rechts neben ihrem Schreibtisch. Vor allem, und das war das Beste, musste sie es nicht mit einer Kollegin oder einem Kollegen teilen. Sie konnte sich besser auf ihre Arbeit konzentrieren, wenn sie nicht gestört wurde. Großraumbüros, wie sie zurzeit modern waren, oder Büros mit ein bis drei weiteren Personen waren eine Horrorvorstellung für sie. Sie glaubte nicht an die vielgepriesene soziale Kontrolle. Ganz im Gegenteil. Das Reden, ob am Telefon oder untereinander, hielten eher von der Arbeit ab, führten zur mangelnden Konzentration, zu Fehlern und Aggressionen. Wie konnten Arbeitgeber nur auf die Idee kommen, dass, wenn man Menschen acht Stunden in einem Raum zusammenpfercht, gute Arbeit und gesundes Personal dabei herauskommt. Charlotte drehte sich auf dem mit Leder bezogenen, ergonomischen Bürostuhl hin und her. Sie war zufrieden mit dem, was sie sah und konzentrierte sich auf die Unterlagen aus der Produktionsabteilung.

Beinahe hätte Charlotte das zaghafte Klopfen nicht gehört. Sie schaute hoch und ihr Blick fiel auf die Uhr über der Tür. Zwei Stunden waren vergangen. Ungläubig schüttelte sie den Kopf, und als sie ein Scharren vor ihrer Tür wahrnahm, sagte die laut „Herein“. Vorsichtig ging die Tür einen Spalt auf. Darin erschien Fligges Kopf.

„Nun kommen Sie schon herein“, Charlotte winkte ihn mit der rechten Hand heran, „was kann ich für Sie tun?“

„Och, eigentlich nichts. Ich wollte nur mal schauen, wie Sie zurecht kommen.“

„Mhm, eigentlich ganz gut. Aber im Moment trete ich auf der Stelle. Mir sind die Ideen ausgegangen“, sagte Charlotte und grinste.

„Dann sind Sie überfordert?“

Charlotte suchte nach einem ironischen Anzeichen in Fligges Gesicht. Fehlanzeige. Hoppla, der Kerl meinte das ernst, schoss es Charlotte durch den Kopf.

Befremdet schaute sie ihn an: „Nein!“ war alles, was ihr einfiel. Die unverschämte Unterstellung lähmte ihr Sprachzentrum. Und das ärgerte sie fast mehr als der Angriff.

„Dann ist ja gut“, sagte er jovial und zeigte auf den Locher auf ihrem Schreibtisch: „Kann ich den mal haben?“

Charlotte runzelte irritiert die Stirn: „Besitzen Sie keinen eigenen?“

„Nicht einen so großen.“ Ohne zu zögern ergriff er den Locher und wandte sich zur Tür.

„Hey! Das ist meiner“, rief sie entrüstet.

„Stellen Sie sich nicht so an. Schließlich gehört er nicht Ihnen, sondern der Firma“, sagte Fligge und verschwand.

Perplex schaute Charlotte ihm hinterher.

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