Illustration von Susanne Gold/ Text von Ted Ganten
In diesem Film erfährst du mehr über „Terraismus“. Hier gibt es das ganze Buch.
Neben unterstützenden, wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bedarf es bei der Nutzung von Cyborg (Mensch-Maschine)-Technologien einer grundlegenden ethischen Diskussion.
Ist der Homo Sapiens im Zentrum des Universums?
Wie eingangs angedeutet, müsste sich unser Gesamtverständnis der Bedeutung der Menschheit ändern. Der Homo Sapiens darf nicht mehr im Zentrum des Universums stehen. Ich habe bereits ausgeführt, dass der Erhalt des Planeten, unseres Raumschiffes Terra, Vorrang genießen muss. Auch zur Gefahr solcher utilitaristischen Ansätze für den Menschen habe ich Stellung bezogen. Wir haben keine echte Alternative. Denn der aus Humanismus und Religionen abgeleitete Anspruch, die Krone der Schöpfung zu sein, basiert auf der Wahrnehmung, dass wir Menschen die klügsten und stärksten Lebewesen auf dem Planeten sind. Wenn dem nicht so wäre, wären wir wahrscheinlich nicht darauf gekommen, dass der Planet und das ganze Universum für uns geschaffen wurden. Wir wären auch nicht darauf gekommen, dem Menschen moralische Verfügungsgewalt über alle anderen Lebewesen zu gewähren. In den meisten Rechtsordnungen sind Tiere zwar keine „Sachen“, sie werden aber im Wesentlichen als solche behandelt (mit geringfügigen Einschränkungen in wenigen Ländern aus dem Tierschutz).
Sie wir die Klügsten und Stärksten?
Überprüfen wir mal kurz diese Grundannahmen. Was, wenn Außerirdische auf der Erde landen, die klüger und stärker sind als wir? Dürfen sie, die von uns aufgestellte Regel verallgemeinern und auch uns zum Untertan machen? Uns zu Nahrungszwecken oder als Nutztiere züchten? Wie steht es mit dem Homo Deus, wie Jouval Harari Cyborgs und transgene Menschen nennt. Sind sie die neue Krone der Schöpfung? Sollen wir warten, bis ein Prophet zu ihnen kommt und durch seine Eingebung rechtfertigt, den Homo Sapiens auszubeuten?
Kann man auch Respekt gegenüber allen Lebewesen haben?
Lässt sich die UNTERJOCHUNG DES Homo Sapiens überhaupt dauerhaft verhindern? Ich weiß es nicht. Klar ist, dass wir gut daran tun, bereits jetzt unsere Ethik anzupassen. Eine Anpassung des kategorischen Imperativs habe ich bereits in den ersten Wochen dargelegt und als zentrales Element des Terraismus definiert:
„Ein*e jede*r handle so, dass ihr/sein Wille zugleich zur Grundlage weltweiter Regeln dienen könnte, welche die Bewohnbarkeit der Erde nachhaltig sichern und diskriminierungsfrei der/dem Einzelnen ihre/seine Entfaltung im Rahmen ihrer/seiner Möglichkeiten zu erlauben, soweit dies nicht mit den Interessen anderer Lebewesen kollidiert.“
Es ist existenziell, diesen neuen Gedanken in unseren Köpfen, Gesellschaften und Gesetzen zu etablieren. Diese Notwendigkeit zu verdeutlichen wird sicherlich eine der grundlegenden und schwierigsten Aufgaben des terraistischen Vereins. Wir stellen uns damit gegen Religionen, gegen den zur Religion erhobenen Humanismus und gegen die Grundfesten unserer ausbeuterischen, mensch-zentrierten Gesellschafts- und Marktformen.
Nächste Woche werfen wir einen Blick auf die gesellschaftlichen Auswirkungen und wünschenswerten Rahmenbedingungen für genetisch verbesserte Lebensformen. Es bleibt also spannend!