Gremium für Cyborg Technologie. Teil II (33/52 – Terraismus)

Illustration von Susanne Gold/ Text von Ted Ganten
In diesem Film erfährst du mehr über „Terraismus“. Hier gibt es das ganze Buch.

Wir dürfen uns von den Endzeitdystopien nicht täuschen lassen. Mensch-Maschine Kombinationen gibt es bereits, es wird mehr werden und das Thema birgt auch wirklich starke Potentiale:

Sind Cyborgs besser?

Wenn später einmal gehirnkompatible Speicher oder gedankenschnelle Netzverbindungen möglich sind, wird dies zu einer klaren Überlegenheit der Cyborg über den naturbelassenen Homo Sapiens führen. Die reichen Mitbürger*innen werden die leistungsfähigsten Verbesserungen in Anspruch nehmen und so werden sie zum ersten Mal in der Geschichte nicht nur derjenige sein, der zur richtigen Zeit in die richtige Familien geboren wurde. Sie werden wirklich „etwas Besseres“ sein. Die Chancen eines nicht optimierten Durchschnittsbürgers auf eine überdurchschnittliche Leistung tendieren dann in einigen Bereichen gegen Null. Bei den letzten olympischen Spielen wurde zum ersten Mal ein Sprinter nicht zugelassen, der statt seiner amputierten Unterschenkel Prothesen montiert hatte. Der Grund war nicht, dass ein Behinderter keine Chance im Vergleich gehabt hätte. Umgekehrt sah man eine Benachteiligung der Unversehrten.

Im Kleinen wie im Großen?

Was für das Individuum gilt, ist auch für das Kollektiv im Nationalstaat richtig. Die reichen Staaten werden immer mächtiger, weil sie sich mehr optimierte Bürger*innen leisten können. Diese Entwicklung birgt enormes Sprengpotential. Sie zementiert am unteren Ende die Hoffnungslosigkeit und wird am oberen Ende zu der „berechtigten“ Annahme führen, dass man in einigen Bereichen überlegen ist.

Im Guten wie im Schlechtem?

Diesem Auseinanderdriften entgegenzuwirken ist Aufgabe des Vereins. Da er keine Rechtsetzungsbefugnisse hat, könnte er über privatwirtschaftliche Mechanismen, wie zum Beispiel Patente und gezielte Investitionen in High Tech Unternehmen Einfluss nehmen. Statt zu warten, dass ein internationales Patentübereinkommen zustande kommt, das Schutzrechte für Mensch-Maschine-Interfaces verbietet, könnte der Verein ein eigenes Portfolio aufbauen und auch Unternehmen aus ärmeren Staaten vorteilhaft zur Verfügung stellen. Wenn die am Verein beteiligten Unternehmen mitspielen, könnte sich hier schnell eine kritische Masse herausbilden. Man könnte die Übertragung solcher Patentportfolien dadurch incentivieren, dass man im Gegenzug Mitgliedsbeiträge reduziert oder eine geschlüsselte Ausschüttung der erwirtschafteten Ergebnisse vereinbart. Jedenfalls wird es einem Großteil der Unternehmen bei solchen Schlüsseltechnologien für die Menschheit erstrebenswert erscheinen, dass es nicht nur einen Wirtschaftsteilnehmer gibt, der zufällig das entscheidende Patent hält, und alle anderen Unternehmen in der Bedeutungslosigkeit versinken. Breiter Zugriff auf ein solches Mensch-Maschine-Portfolio ermöglicht Wettbewerb in der Sache, in der konkreten Ausführung. Wenn der Status Quo keine Lösung ist, ist es in bestimmten auch erstrebenswert, an der Verbreitung von Technologien mitzuwirken.

Haben wir Zeit?

Insgesamt erscheint es sinnvoll, in diesem, für die Menschheitsentwicklung kritischen Bereich nicht einen 20-jährigen Patentschutz zu gewährleisten. Die Spanne ist zu lang und wird die Schere in der Welt zu weit auseinandertreiben. Als Investitionsschutz könnten auch drei Jahre reichen. Wieder wird es Jahrzehnte dauern bis sich alle wesentlichen Staaten auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt haben. Der angesprochene Patentpool aller großen Unternehmen könnte über die Mensch- Maschine-Interfaces hinaus auf jeden kritischen Anwendungsfall einer Technologie erweitert werden. Die betroffenen Unternehmen könnten sich dann unter fachkundiger Leitung des Vereins über den sachgerechten Investitionsschutz einigen, ohne auf Nationalstaaten angewiesen zu sein. Soweit ein solcher Pool auch Nicht-Mitgliedern unter vergleichbaren Bedingungen offensteht, ließe sich das wohl auch kartellrechtskonform ausgestalten.

Natürlich sollte man nicht unbesehen alles machen und unterstützen, dass möglich ist. Trotz aller positiven Aspekte von Cyborg Technologie muss es einen ethischen Maßstab geben, der erstrebenswertes von weniger erstrebenswertem abgrenzt. Dazu nächste Woche.

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