Illustration von Susanne Gold/ Text von Ted Ganten
In diesem Film erfährst du mehr über „Terraismus“.
Ich will neben dem Terraismus als neue ethische Konzeption auch einen gangbaren Weg zeigen, wie man diesem Ziel näherkommen kann.
Der Weg
In aller Kürze und Einfachheit – abgeleitet aus den vorstehenden Gedanken zu Collective Actions und Asgardia – schlage ich vor, eine Gesellschaft privatrechtlicher Natur zu gründen, wie sie der Grundbaustein des Kapitalismus in seinen verschiedenen Ausprägungen geworden ist. In meinem Vorschlag würde ich sie als gemeinnützigen Verein etablieren und dem Terraismus als Satzungszweck verpflichten.
Wirklich? Ein Verein wie der Kleingartenverein um die Ecke soll das Überleben der Menschheit in einem würdigen ethischen Umfeld sichern? Ja, genau. Die Vorteile gegenüber Staatengefügen und anderen Organisationsformen sind enorm. Die Einwirkungsmöglichkeiten ausgesprochen beeindruckend.
Sind juristische Personen skalierbar?
Juristische Personen als Akteure auf der Weltbühne werden im Allgemeinen unterbewertet. Multinationale Großkonzerne als prominenteste Vertreter dieser Spezies, verfügen längst über ein Budget wie kleinere Staaten und haben teilweise auch mehr Mitarbeiter*innen als Kleinstaaten Einwohner*innen. So hat Walmart derzeit 2,3 Millionen und VW immerhin noch fast 650.000 Mitarbeiter*innen. VW hat damit mehr Mitarbeiter*innen als Luxemburg Einwohner*innen und doppelt so viele wie Island. Walmart spielt in der gleichen Liga wie Slowenien, Litauen oder Katar. Walmarts Umsatz von über 500 Milliarden USD entspricht den Staatseinnahmen von Ländern wie El Salvador, Botswana oder Malta. Etwa 100 von 238 Ländern in der Welt haben weniger Einwohner*innen als Walmart Mitarbeitende. Etwa 100 Länder in der Welt haben auch geringere Einkommen als Walmart. Darüber hinaus stiften starke Konzerne auch eine Form von Identität und Zusammengehörigkeitsgefühl. Apple Mitarbeiter*innen und sogar die Nutzer*innen mögen und verstehen sich tendenziell. Sie teilen gewisse Werte und Ziele.
Sind Vereine geschichtlich bedeutsam?
Die juristischen Gesellschaften sind eine der größten gestalterischen Kräfte der Gegenwart. Ohne diese „Vereine“ wären weder die Imperien der letzten Jahrhunderte entstanden noch irgendeine nationale oder supranationale Organisation handlungsfähig gewesen. Sie stellen private Armeen. Sie bearbeiten selbst oder im Auftrag die Oberfläche unseres Planeten. Umweltschutz und Umweltzerstörung wird am Ende zum größten Teil durch private Gesellschaften bewirkt. Sie gestalten den Markt, verkörpern und beatmen mit den Banken den Kapitalismus. Die Marktteilnehmer motivieren tausende grenzüberschreitende Teams durch gemeinsam ausformulierte Ziele, einen Sinn und Zweck, an dem sie sich selbst messen und gemessen werden.
Sind Gesellschaften anders?
Konzerne wie Siemens, Sony, GE, Google sind sich zwar ihrer Herkunft und ihrer Besonderheiten bewusst, jedoch reale Beispiele einer funktionierenden internationalen Zusammenarbeit, die in vergleichsweisem hohem Maß diskriminierungsfrei funktioniert. Sicherlich besteht noch viel Potential, um wirkliche Gleichberechtigung auf allen Ebenen zu erreichen. Das wird auch in diesem Umfeld noch lange dauern – dennoch sind solche Unternehmen oft leuchtende Beispiele gegenüber der Realität in vielen souveränen Nationalstaaten. Als Mitarbeiter eines großen Konzerns besteht mein eigenes Team aus Inder*innen, Chines*innen, Amerikaner*innen, Brasilianer*innen, Kolumbianer*innen, Mexikaner*innen, Brit*innen, Süd-Afrikaner*innen und vielen andern Nationen. Wir alle arbeiten hervorragend zusammen. Wir bemühen uns jeden Tag, die anderen zu verstehen und interkulturelle Irritationen so gering wie möglich zu halten. Toleranz ist dabei selbstverständlich und Ausdruck unseres gegenseitigen Respekts. Es ist in diesem Umfeld nicht eine Mühe, sondern tatsächlich eine Freude und Geschenk von der Sicht der anderen zu lernen.
Wie steinig ist der Weg?
Ich schlage also nicht nur eine neue Ethik („Terraismus“) vor, sondern auch einen Weg, der in kleinen Schritten und ohne jeden gesellschaftlichen oder gar kriegerischen Konflikt begangen werden kann. Die Gründung eines gemeinnützigen, internationalen Vereins passiert beständig. Jeden Tag hundertfach. Sie ist der Ausgangspunkt für die Umsetzung der Idee – und hat das Potential ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu dem definierten Ziel sein. Mitglieder des Vereins können natürliche Personen, Unternehmen, andere gemeinnützige Vereine, Stiftungen und sogar Nationalstaaten/Staatenverbünde sein.
Bevor wir zu der Ausgestaltung eines solchen Vereins im Detail kommen, bedarf es zunächst einiger grundlegender Überlegungen über Sinn und Zweck sowie Ausrichtung eines solchen Unterfangens. Ein privatrechtlicher Verein ist ein sehr flexibles rechtliches Konstrukt, das man von seinen Organen und Organisationsstrukturen relativ frei ausgestalten kann. Wie also sollte man einen solchen Verein organisieren? Würde es nicht Sinn machen, dem demokratischen Grundverständnis zu folgen und ihn in den Entscheidungsstrukturen ähnlich aufzubauen und regional (Gemeinde, Bezirk, Land, Bund etc.) zu staffeln, wie wir es in demokratischen Gesellschaften finden? Sollten wir mehr oder weniger Mitbestimmungsrechte wagen? Was lehrt uns der Blick in die demokratische Realität?
Es gibt so viele Ideen, wie alles doch noch zu einem guten Verlauf führen könnte. Man ist ja drauf und dran, den Glauben zu verlieren. Mir gefallen auch die Überlegungen der Gemeinwohlökonomie. Aber es reden nicht genug Leute darüber. Erst grade hat die derzeitige Bundeskanzlerin wieder betont, man halte an der Strategie des Wachstums fest; die gerade gemachten Schulden sollen durch vermehrtes Wachstum später beglichen werden. Das lässt Übles erahnen. Die Zukunft soll nicht nur sich selbst bezahlen, sondern auch die Vergangenheit. Das haut halt nicht mehr hin.
Ich wünsche mir, es redeten mehr Leute, alle, auch die großen Entscheider, über neue Wege.
Und wenn man einen Verein gründet, noch lange nicht das Schlechteste 🙂
https://beatekalmbach.home.blog/2020/12/01/proletarier-aller-lander-wir-mussen-reden/
Danke für deinen Kommentar. Genauso, durch deinen Blog und unseren beginnen wir den Dialog. Hoffen wir auf Einsicht in diesem Jahr …