Ein Familienmensch und immer bei der Arbeit – Wer ist Andreas Rein?

Interview und Bild von Corinna Heumann

Andreas Rein ist Maler. Er wurde in Köln geboren. Nach der Fachhochschulreife absolvierte er eine Ausbildung zum Mechaniker. Anschließend studierte er an den Kölner Werkschulen Freie Malerei bei Prof. Dieter Kraemer. Kunstpreise und Stipendien folgten. Neben internationalen Ausstellungen nahm er Dozententätigkeiten an der Universität Wuppertal und der Sommerakademie der Alanus-Hochschule in Alfter an. Seine Arbeiten befinden sich in öffentlichen Sammlungen und in Privatbesitz. Er lebt im Rheinland.

Für ihn beginnt der Tag um 5 Uhr morgens, indem er für seine jetzige Frau das Frühstück macht. Unterrichtet wird tagsüber. Gegen Mitternacht schließlich, nach der Arbeit an den eigenen Werken neigt sich der Tag für ihn sich dem Ende zu. Andreas ist vor allem ein Familienmensch. Er war alleinerziehender Vater seiner vier Kinder, die mittlerweile erwachsen geworden sind und selbst Kinder haben. Nun hat er an den Wochenenden etwas mehr Zeit und verbringt sie mit seiner Frau auf seinem Schiff in Holland. Durch Erfindungsgeist verwandelt er detailverliebt die historische Yacht aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts zu einem schiffsbaulichen Geniestreich.

Keine Minute in Andreas Leben vergeht ungenutzt. Man könnte doch eine Idee, einen Workflow oder einen kreativen Moment seiner Schüler und Schülerinnen unbemerkt oder sogar ungenutzt verstreichen lassen! Dazu kommt das Gefühl, dass jeden Augenblick irgendeine Form in der Hand oder im Gesicht vollkommen ist; irgendein Ton auf den Hügeln oder auf dem Meer schöner als der Rest ist; irgendeine Stimmung der Leidenschaft oder der Einsicht oder der intellektuellen Erregung unwiderstehlich real und anziehend für uns ist – nur für diesen Moment. (William Pater)

Was treibt Dich an, Andreas?

Unzufriedenheit, seit 40 Jahren, in der Malerei seit 50 Jahren. Unzufriedenheit über das Bild, das ich gerade gemalt habe. Früher habe ich sehr viele Skizzen gemacht, um mich der ganzen Problematik zu nähern. 

Sehen, Denken und mit den Händen denken – wie laufen Deine kreativen Prozesse ab? 

Das, was man sprachlich nicht ausdrücken kann, kann man ja malen. Da geht es um andere Dinge. Wenn ich Schriftsteller wäre, würde ich schreiben. Wenn ich ins Atelier gehe, mache ich das Radio an, WDR 2 früh morgens um 6 Uhr. Ich habe es mal mit Klassik versucht. Aber bei WDR 2 kann man ab und zu mal hinhören, meist gar nicht, und so wird es ein automatischer Malprozess. Bei der Werbung funktioniert er am besten. Zwischendurch stelle ich mir den Wecker auf dem Handy, damit ich die Schüler, die kommen, nicht vergesse. Ich habe gemalt, dann ein bisschen gedruckt und immer wieder Boote gebaut.

Warum Boote?

Ich war nicht ausgelastet. Das letzte Boot, das ich gebaut habe, heißt ‚Corona‘, weil ich es im Lockdown gebaut habe. Ich habe alles selbst entworfen, das Holz zurecht geschnitten, gebogen, Holz aus Hamburg, massives Mahagoni. Man muss massives Mahagoni Sperrholz verwenden. Ich habe es überall aus Containern herausgezogen und gesammelt. Man bekommt es heute nicht mehr. Den Schriftzug am Heck habe ich blattvergoldet.

Und Künstler?

Künstler sind keine Menschen, die an Freundschaften interessiert sind, außer sie genießen einen Vorteil. Ein Austausch mit Egomanen ist unmöglich, kostet nur meine Lebenszeit. Ich arbeite lieber. Sonst engagiere ich mich politisch im Ortsverein in Belangen des Ortes. Es geht mir um das Ortsbild. Rhöndorf ist etwas besonderes. Wir sind hier alle Lokalpatrioten. Parteipolitik spielt bei uns überhaupt keine Rolle. 

Hast Du eine Utopie?

Meine Utopie ist da, wo meine Familie ist. Ich bin nicht auf einen Ort festgelegt. Ich bin zwar hier verwurzelt, aber wenn ich weggehen müßte, würde ich das mit meiner Familie zusammen machen. Meine Familie würde es auch mit mir machen. 

Wie verstehst Du die Idee, dass man sich selbst am stärksten spürt, wenn man von ästhetischen Objekten oder Menschen beeindruckt oder angerührt wird?

Viele Menschen haben keinen Zugang zu Stil, Schönheit, Werthaltigkeit. Das ist wie eine zweite Haut neben der physischen Haut, die man sich zueigen macht, Teil von einem. Ungefähr 95 % der Menschen umgeben sich mit Schrott: Häuser, Möbel, Kleidung, Autos. Ca. alle 7 Jahre werden in Deutschland Wohnungseinrichtungen entsorgt und neu gestaltet. Das ist außerdem eine ungeheure Ressourcenverschwendung. So wie sich die meisten Zeitgenossen kleiden, leben, essen.. so sind sie ja dann, fast schon gemeingefährlich. Es ist eine Wechselwirkung. Man spiegelt sich und wird das auch. Unser Leben dient fast nur noch dem Verbrauch. Wir sind Verbraucher geworden, keine Kunden mehr. Das sieht man an der Werbung.

Ich habe ein glückliches Leben hier in Deutschland und bin sehr dankbar dafür. Ich darf machen und sagen, was ich will. Ich durfte und darf mit meinen Kindern eine glückliche Zeit verbringen. Das haben viele Menschen auf der Welt nicht.

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