Illustration von Susanne Gold/ Text von Ted Ganten
In diesem Film erfährst du mehr über „Terraismus“. Hier gibt es das ganze Buch.
Wie bereiten wir uns darauf vor, dass zeitnah genetisch optimierte Menschen unter uns leben werden? Im Teil I und II haben wir uns Optimierung des menschlichen Genoms durch menschliche und nicht-menschliche DNA fokussiert. In diesem Blogbeitrag wollen wir ein Gefühl dafür entwickeln, wann es so weit sein könnte.
Ist der Mensch schon optimiert?
Eingriffe am Menschen sind bisher erst wenige bekannt geworden. Bereits angesprochen wurde der chinesische Forscher, der zumindest behauptet, seinen beiden Kindern die Resistenz auf AIDS genetisch in die Wiege gelegt zu haben. In der Medizin wird an der Behandlung von monogenen Krankheitsbildern geforscht und die Anwendung in der Keimbahn öffentlich diskutiert. Verwiesen sei hier nochmals auf die sehr ausführliche Stellungnahme des deutschen Ethikrates vom Juni 2019. Bei monogenen Krankheitsbildern liegt ein Fehler in einer definierten Gensequenz vor, der mit Sicherheit zu einem Krankheitsbild beim Heranwachsen führt. Die Korrektur einer Keimbahnmutation im BRCA1-Gen könnte beispielsweise das Brustkrebs-Risiko einer von dieser Form familiär erblichen Brustkrebses betroffenen Frau von etwa 75 % auf die „normalen“ etwa 12 % der weiblichen Allgemeinbevölkerung senken. Noch besser: Nach der Änderung des Gens würden auch die weiblichen Kinder dieser Frau nicht mehr dem Risiko ausgesetzt. Man könnte auf diese Weise erblich bedingte Krankheiten „ausrotten“ oder zumindest zahlenmäßig reduzieren. Würden Sie sich diese Möglichkeiten für ihr Kind wünschen?
Welche Hürde gibt es?
Noch wird nicht (öffentlich) in die Keimbahn eingegriffen, weil es derzeit wohl noch einige Versuche brauchen würde, bis man eine befruchtete Eizelle mit dem erfolgreich editierten Gen hätte. Und man erst im embryonalen Stadium, nach der Zellteilung, eine Probezelle entnehmen könnte. Aber auch bei ganz „normaler“ künstlicher Befruchtung gibt es Verfahren (sog. Präimplantationsdiagnostik), bei denen befruchtete Eizellen nicht gebraucht und entsorgt werden. Die Schwelle kann also nicht mehr sehr hoch sein. Sie hängt wesentlich von einem gesellschaftlichen Konsens ab, wann das Leben anfängt und wie schützenswert es in diesem frühen Stadium ist. Glauben wir wirklich, dass es hier einen jahrzehntelangen weltweiten Konsens geben wird, den niemand in Frage stellt oder beschließt zu ignorieren? Vom monogenen zum polygenen Gen-Editing zum Enhancement sind es nur viele, winzige Schritte. Sie stehen unmittelbar bevor.
Wann kommt der erste transgene Mensch?
Transgenetischen Eingriffe am Menschen sind bis jetzt nicht bekannt. Transgene – vom Menschen geschaffene – Wesen existieren aber bereits. Bei Pflanzen ist es schon weitgehend Normalität, aber auch bei Tieren ist es bereits üblich. Eine Schweinerasse wurde mit Wachstumsgensequenzen der Stubenfliege versehen. Sie wachsen rasend schnell und generieren enorm viel Fleisch pro Futtereinheit. Gentechnisch veränderte Ziegen produzieren in ihrer Milch einen Wirkstoff, der die Blutgerinnselbildung beim Menschen hemmt. Dieses sogenannte Molecular Farming ist ein inzwischen großer aufstrebender Industriezweig. Oft fangen diese Technologien zuerst in der Gesundheitsbranche an. In dieser Industrie sind vorteilhafte ethische Vereinfachungen beziehungsweise Abwägungen möglich. Soll der Patient sterben oder …? Und wieder sind wir Menschen nicht die ersten, die transgenetisch tätig sind. Die solargetriebene Meeresschnecke Elysia Chlorotica bildet den zur Photosynthese notwendigen Blattfarbstoff Chlorophyll in der eigenen Haut. Die dafür notwendigen Gensequenzen hat sie der Alge Vaucheria entnommen. Was wäre, wenn wir das auch könnten? Einen Großteil unserer Ernährung durch Sonnenlicht auf unserer grünen Haut erledigen. Was würde das für den Planeten bedeuten?
Wann wir diese letzte Schwelle überschreiten ist unklar. Der Druck und die Möglichkeiten sind aber atemberaubend. Hierauf gehe ich im Detail nächste Woche ein. Gerade deswegen würde es mich nicht wundern, wenn unerkannt von der Öffentlichkeit schon deutlich mehr passiert wäre als wir es je erfahren werden. Die Möglichkeit transgene Menschen zu schaffen besteht und es ist kein Hexenwerk.