Wie gestalten wir Neues global? (6/52 – Terraismus)

Illustration von Susanne Gold/ Text von Ted Ganten
In diesem Film erfährst du mehr über „Terraismus“.

Jetzt haben wir einige der großen Herausforderungen der Menschheit benannt. Wir haben ganz grob aus der Gegenwart in die Zukunft extrapoliert und einige der der zukünftigen Entwicklungen vorausgesagt. Wie gehen wir jetzt damit um?

Nationalstaaten

Eines der Konzepte, die wir überdenken müssen – und in manchen Fällen die Wurzel des Übels selbst – sind die Nationalstaaten. Solange diese Entitäten um die Aufmerksamkeit von Kapital und Konzernen buhlen und gegeneinander konkurrieren, können in einer Welt, in der Informationen von überall immer verfügbar sind dem Gewinnstreben und Auseinandersetzungen keine sinnvollen Grenzen gesetzt werden. Solange die Nationalstaaten sich in ihrem vermeintlichen Stolz voneinander abgrenzen wollen, aus Existenzberechtigungsgründen abgrenzen müssen, wird es schwierig, einheitliche ethische Maßstäbe zu entwickeln, wie sie die neuen, globalen Technologien erfordern. Solange Ressourcen dem Staat gehören, der zufällig dort in den letzten paar hundert Jahren oder gar Jahrzehnten entstanden ist, und nicht der Menschheit, wird es Grund zum Konflikt geben. Solange die Menschheit nicht zu einem „wir“, sondern zu einem „wir und die anderen“ durch staatliche Bildungssysteme erzogen wird, können wir dort nicht ankommen. Der Nationalstaat – so wie wir ihn kennen – ist veraltet und sogar gefährlich geworden. Zumindest ist es aus meiner Sicht fahrlässig darauf zu vertrauen, dass sich im Wesentlichen sinnvolle Konzepte wie die Gemeinwohl-Ökonomie in den Nationalstaaten flächendeckend und weltumspannend umsetzen. Jedenfalls brauchen solche Konzepte globalen Rückenwind.

United Nations

Die UN – einst zur Sicherung des Weltfriedens entworfen – ist selbst in Teilen zu einem technokratischen Monster geworden. Sicherlich leisten das Forum und seine Organe einen wertvollen Beitrag zur Völkerverständigung. Die „sustainable deveolpment goals“ der UN sind hierfür ein gutes Beispiel. Entscheidende Impulse für eine neue Weltordnung und zur Sicherung des Weltfriedens bleiben jedoch aus. Vielleicht ist von einem derart etablierten Partner dies auch nicht mehr zu erwarten. Immerhin müssen sich bei Änderungen mehr als hundert Nationalstaaten einigen. Selbst im Sicherheitsrat ist das Veto-Recht ein gerne gezogener Trumpf. Natürlich will ich Erfolge und Bedeutung der UN nicht schmälern. Als Zusammenschluss von Nationalstaaten hat sie jedoch eine inhärente Schwäche in Zeiten, in denen Nationalstaaten selbst für viele Probleme sorgen. Zum einen, weil sie in Konkurrenz um die Gunst der Industrie stehen, um ihrem Auftrag nachzukommen, Wohlstand für die Bevölkerung – bzw. in einigen weniger glücklichen Staaten: für die herrschende Klasse – zu schaffen und zu sichern. Zum anderen, weil Nationalstaaten ein intrinsisches Interesse an einem starken nationalen Wir-Gefühl haben und Erziehung und Nachrichten entsprechend darauf ausrichten. Nachdem die UN aus den Nationalstaaten besteht, ist es unwahrscheinlich, dass ein Hinwirken auf die Abschaffung oder zumindest Relativierung der Bedeutung der Nationalstaaten wirklich Unterstützung erhalten würde. Staatenverbünde stoßen also an ihre Grenzen, wenn die Krise nicht so gewaltig ist, dass ein alleiniger Ausweg nicht machbar erscheint. Der Weltgemeinschaft geht es in Summe immer noch zu gut, als dass von dieser Seite starke neue Initiativen zu erwarten sind. Den dritten Weltkrieg abzuwarten, bis sich staatenübergreifende Bündnisse wieder ernsthaft in Bewegung setzen, ist keine wünschenswerte Alternative.

Der neue Weg

Ich schlage deswegen einen neuen Weg vor. Ein Gegengewicht zu den Nationalstaaten und etablierten internationalen Gremien, die allesamt auf schwierigen zwischenstaatlichen Vertragsverhandlungen beruhen. Etwas agiles, ein Konstrukt, das in den letzten zwei Jahrhunderten die Welt möglicherweise stärker verändert hat, als die meisten Staaten und Staatengebilde. Eine Organisationsform, die sich einem definierten Ziel verschrieben hat und dazu geeignet ist, Kräfte auf dieses Ziel hin zu bündeln: Ein privatrechtlicher Verein! Wirklich? Ja genau, so etwas wie der Sportverein um die Ecke … und die Konzerne.

Die folgenden Seiten etablieren einen gesellschaftlichen, planten-umspannenden, neuen Entwurf. Zunächst werden die Ziele eines solchen Vereins definiert und ethische Leitlinien entworfen. Der Unterschied zum Sportverein und dem kommerziellen Konzern ist schließlich die Zielrichtung der Organisation. Dazu müssen einige ethische Grundannahmen unangenehm hinterfragt werden.

Die neue Ethik

Die oben skizzierten Zukunftsszenarien erlauben es nicht, an überkommenen Regeln festzuhalten. Die neuen Ziele und ethischen Regeln werden im Planetarischen Manifest als „Terraismus“ zusammengefasst. Zur Umsetzung des Terraismus in die Realität ist die Idee, einen international tätigen, gemeinnützigen Verein so aufzustellen, dass er Nationalstaaten, deren Grenzen und Gesetzgebung unwichtiger macht und sinnstiftend global wirkt. Mitglieder können neben natürlichen Personen, auch Gesellschaften, Stiftungen, andere gemeinnützige Vereine und sogar Nationalstaaten sein. Die Ideen sind in vielen Teilen neu und nicht perfekt. Doch Ideen müssen geboren werden, um getestet werden zu können und sich zu entwickeln. Aus meiner Sicht stellt sich erst nach dieser Diskussion die Frage, wie und wann man mit der Umsetzung beginnt.

In den nächsten Wochen wird es deutlich konkreter. Schritt für Schritt schälen wir in das Thema aus dem Nebel. Mit jeder Woche ein bisschen mehr. Am Ende liegt ein Vorschlag auf dem Tisch, mit dem wir einen terraistischen Verein, seine Arbeitsweise und sein Inhalte gestalten können.

Kommentare

3 comments on “Wie gestalten wir Neues global? (6/52 – Terraismus)”
  1. Lieber Ted, liebe Utopiensammlerin. Eure Motivation ehrt euch. Was ihr aber leider überseht habt ist, dass Organisationen wie Nationalstaaten ebenso wie gemeinnützige Vereine, aus Menschen bestehen und von deren Handlungen geformt werden. Das grundlegendste Problem ist nicht die Form, sondern der Inhalt. Menschen verhalten sich aufgrund ihrer geistigen Qualitäten, welche die Voraussetzung für ihre Verhaltensdisposition bilden. Sind die geistigen Qualitäten entsprechend geschult lasen sich Gemeinwohlökonomie und/oder andere nachhaltige Visionen in unterschiedlichen organisatorischen Formen umsetzen, weil die organisationsbildenden Menschen entsprechend handeln. Sind die geistigen Qualitäten nicht entsprechend geschult ist das Projekt von vornherein zum Scheitern verurteilt, da sich Neid, Gier, Zweifel, Konkurrenz, Missgunst, Egoismus und andere unheilsame Qualitäten durchsetzen. Das sollte dem geschichtsaffinen Menschen spätestens seit dem Ende der Marx’schen Vision bekannt sein. Alles Gute für Euch.

    1. Ted Ganten sagt:

      Lieber Oliver. Danke für deinen Kommentar. Du hast völlig recht. Wenn wir alle achtsam und selbstlos leben, werden Organisationsformen weniger wichtig. Wir sollten das auch – jeder für sich und gemeinsam – anstreben. Dein Blog ist ein guter Beitrag. Bis die große Mehrheit soweit ist, schlage ich vor, zweigleisig zu fahren und das Gute und Sinnvolle auch durch eine geeignete Organisation zu unterstützen. Quasi achtsam UND wachsam ;-). Dir auch alles Gute.

  2. basspix sagt:

    Hey Ted, jetzt wird’s spannend! Bin gespannt auf die Fortsetzung!

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