Eine empathische Welterfahrung in Literatur verwandelt – Wer ist Christian Much?

Text von Corinna Heumann

Christian Much wurde 1953 in Luxemburg geboren. Als europäischer Kosmopolit sozialisiert, verbrachte er seine Schulzeit in Luxemburg und Brüssel. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften und der Ethnologie in Deutschland arbeitete er zwischen 1980 und 2016 in 14 Ländern, vorwiegend in Zentralamerika, in verschiedenen arabischen Staaten und bei den Vereinten Nationen.

Was treibt Dich an, Christian?

Jeden Ortswechsel habe ich als Bereicherung empfunden, meinen Beruf als eine inspirierende Art des lebenslangen Lernens. Zu dem, was mich antreibt, gehören definitiv die Neugier und die Aufgeschlossenheit für andere Länder und Menschen – und der Wunsch, dass dies ansteckend sein möge und ich zum Abbau von Fremden- und Fremdheitsangst etwas beitragen kann. Dieser Weltenreichtum fließt nun in seine Romane.

Eine differenzierte Welterfahrung

Christian Much war Diplomat im Dienst der Bundesrepublik Deutschland. Im Gegensatz zum klischeehaften Verständnis von diplomatischer Immunität als einem Lebenstil im internationalen Jetset mit einer gewissen Prachtentfaltung, verfügen Diplomaten westlicher Demokratien meist über hohen Arbeitsethos und einen profunden Wissenschatz im Verstehen der eigenen Lebenswelt in Bezug auf die verschiedenen Kulturen, in denen sie für eine gewisse Zeit leben. Im besten Fall sind sie Generalisten, sachkundige Netzwerker und diskrete Moderatoren, die rasch erkennen, welche Themen tatsächlich relevant sind, welche Ursachen und Wirkungen diese für die Menschen haben.

Schöpferisch tätige Diplomaten

Dieser Lebensentwurf entwickelt sich durch eigene Anschauung. Zuweilen entsteht er auch durch einen unabhängigen, differenzierten Blick über die täglichen Amtsgeschäfte hinaus. Publikationen von Diplomaten zeichnen Bilder einer individuellen Welterfassung jenseits von globalisierter Konsumkultur und vermeintlich kosmopolitischer Luxusgüter-Industrie. Mit dem künstlerisch-empathischen, immer wohlwollenden Blick dokumentieren schöpferisch tätige Botschafter die Vielfalt globaler kultureller Interaktion. Zeugnis geben unter anderem die Schilderungen Harry Graf Kesslers oder George F. Kennans in ihren jeweiligen zur Veröffentlichung bestimmten Tagebüchern, die Fotografien von Alfons Mumm von Schwarzenstein und die Kunstsammlung von Uli Sigg.

Zuhause in den Bergen

Christian Much lebt heute in Italien, in den Südtiroler Dolomiten. Der sich im Licht der Tages- und Jahreszeiten ständig wandelnde Ewigkeitscharakter der steinernen Riesen inspiriert ihn, über die Vielfalt des Lebens zu schreiben. So verwebt er seine Welterfahrung literarisch mit der geschichts- und geschichtenträchtigen Hochgebirgslandschaft im Herzen Europas zu realistischen Utopien: Dies sind auch die Leitmotive meiner beiden Romane: In Der Andere Ast (2021) geht es um das Miteinander der Südtiroler Sprachgruppen, in Michls letzte Reise (erscheint im Herbst 2021) um die Gegenwartserkundung durch einen demenzkranken Mann und seine nigerianische Pflegerin.

Kommentar verfassen