Wieviel Vereinsmeierei verträgt ein Verein? (16/52 – Terraismus)

Illustration von Susanne Gold/ Text von Ted Ganten
In diesem Film erfährst du mehr über „Terraismus“.

Wenn ein terraistischer Verein viele unserer Probleme lösen soll, ist es wichtig, ihn richtig zu strukturieren. Wieviel und welche Mitbestimmungsthemen der Vereinsmitglieder soll es geben? Wie stellt man sicher, dass die Korruption nicht die Ziele vereitelt? Schauen wir uns erst einmal an, was wir nicht wollen …

Ist die Demokratie ein Vorbild?

Vorneweg sei hier das klare Bekenntnis zur Demokratie gestellt. Es ist die bisher beste und nachhaltigste Organisationsform von Nationalstaaten und auch überregionalen Vereinigungen. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, diese Organisationsform in ihrem aktuellen Erscheinungsbild in Frage zu stellen. Die weitreichendsten Vorstöße zu Organisationsreformen der etablierten Parteien beschränken sich aktuell auf die Verkleinerung des Bundesparlamentes und wenig konkrete Forderungen nach mehr Volksbegehren und -abstimmungen. Mir scheinen aber auch einige andere Themen bisher noch nicht perfekt gelöst zu sein. Da ein terraistischer Verein richtungsweisend tätig und wirksam sein soll, macht es Sinn sich einige Bereiche im demokratischen, staatlichen Umfeld anzuschauen und sich zu fragen, welche Elemente man übernehmen will und welche eventuell angepasst werden sollten.

Wie regional sollte ein globaler Verein sein?

Der Gemeinderat, der Kreistag, der Bezirkstag, der Landtag, der Bundestag und das Europäische Parlament grenzen sich alle voneinander ab und sind sich gegenseitig nur eingeschränkt Rechenschaft schuldig. Diese Komplexität ist schwierig zu verstehen. Ich habe trotz eines allgemeinen Interesses an Politik neben Arbeit, Familie, Freunden, Sport, Haushalt und anderen Hobbies keine Zeit, mich mit den regionalen und inhaltlichen Zuständigkeiten und den politischen Akteuren, geschweige denn mit ihren individuellen Meinungen, auseinanderzusetzen. Das letzte vollständige Parteiprogramm habe ich mit 18 oder 19 gelesen. Obwohl ich täglich online Zeitung lese, reicht das gerade mal für Oberflächliches aus der Bundespolitik. Ende. Eine Stunde pro Tag ist mir das Thema im Lebensmix wert. Mal mehr, mal weniger. Bin ich damit ein unpolitischer, asozialer Außenseiter? In meiner vorwiegend akademischen Nachbarschaft und unter meinen Freunden scheine ich eher am oberen Ende der Informationsskala zu liegen! Ich kann das auch für meine 17- und 19-jährigen Töchter und deren Freundeskreise bestätigen. Das finde ich etwas beängstigend.

Bei welchen Inhalten sollte man mitreden?

Es gibt kaum ein konkretes, politisches Thema von der Gemeinde bis hin zu europäischen und bundesdeutschen Fragestellungen, zu dem ich eine sachlich fundierte Meinung abgeben könnte. Ich bin Familienvater, Jurist, Manager in einem großen Konzern und gewohnt, Entscheidungen in schwierigen Situationen auf unvollständiger Datenbasis zu treffen. Zur Frage, ob die neue EU-Datenschutzverordnung sinnvoll ist und ob die Stadtumlandbahn in meiner Stadt Sinn macht, müsste ich mich trotz Neigung und Vorwissen mindestens einige Wochen Vollzeit beschäftigen, um in die Nähe einer sinnvollen Entscheidungsgrundlage zu kommen. Selbst bei dem relativ einfachen Thema einer Stadtumlandbahn handelt es sich immerhin um eine Investition von 300 Millionen Euro. Geld, das dann möglicherweise nicht für andere Projekte, wie den Ausbau der Kindertagesstätten, zur Verfügung steht. Die Stadtumlandbahn und die neue EU-Datenschutzverordnung sind große, komplexe und verzahnte Themen mit Historie und einem Anspruch, eine ungewisse Zukunft zu antizipieren.

Bei welchen Inhalten kann man mitreden?

Ich habe nicht die Zeit, mich angemessen mit auch nur zwei von Hunderten interessanten und wesentlichen Themen zu beschäftigen! Ich wähle also ohne sinnvolle Vorkenntnisse. Rate ein wenig. Bauchgefühl. Ein Argument entscheidet, weil ich es kenne und es dient eher als begründendes Feigenblatt, falls ich mich mal rechtfertigen muss. Nicht einmal auf Gemeinde-Ebene schaffe ich es, mir ein Minimum an Klarheit zu erarbeiten. Sicher kann man mir vorwerfen, meine demokratischen Pflichten nicht ernst zu nehmen und die falschen Prioritäten zu setzen. Den Vorwurf mache ich mir auch. Leider kenne ich persönlich keine*n einzige*n Bürger*in Deutschlands, die/der die „richtigen“ Prioritäten setzt … So verkommt Demokratie zu einer Luftnummer. Niemand würde für sich, seine Familie oder sein Unternehmen auf diese Art und Weise Entscheidungen treffen.

Nächste Woche werden wir noch ein paar verbesserungswürdige Themen beleuchten, bevor wir daraus die neue Struktur ableiten.

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