Homo Connectus: Brauchen wir eine globale Ethik?

„Ich komme schon alleine zurecht!“ – ist jemand, der diesen Satz spricht, glücklich? Du machst eine Weltreise, sprichst aber nie ein Wort mit einem Menschen auf Deinem Weg – Bist Du dann glücklich? Kann überhaupt jemand, der auf sich ganz alleine gestellt ist, glücklich sein?

Diese Frage stellte sich auch der Glücksforscher Christopher Peterson. Er fand in seinen Studien heraus, dass wir offenbar unser größtes Glück durch andere Menschen empfangen. Seine Glücksformel lautet: Andere Menschen zählen!

Heute ist die beste Zeit, um glücklich zu sein!

Warum? Schönes lässt sich am besten in Gesellschaft genießen. Die wichtigsten Bausteine eines zufriedenen Lebens sind soziale Integration. Gute Beziehungen gelten als Grundlage eines glücklichen Lebens.

Heute hat die Digitalisierung und Globalisierung unsere Welt vernetzt. Wir können uns fast mit jedem Menschen global verbinden und verfügen – unabhängig von der Entfernung – über soziale Nähe mit anderen Menschen. Diese Verbindungen werden auch „Fernverflechtungen“ genannt. Kein Außenseiter muss dies länger bleiben. Er kann sich weltweit mit anderen Menschen verbinden und der ausgrenzenden Gemeinschaft den Rücken kehren. Die neuen Technologien liefern uns eine nie zuvor dagewesene Reichweite und Intensität im Austausch mit anderen Menschen.

Das Internet hat die zwischenmenschlichen Beziehungen revolutioniert

Das erste Mal in der Geschichte der Menschen sind soziale Beziehungen unabhängig von einem physischen Ort möglich. Interaktive Internetplattformen und SharePoint-Lösungen wie zum Beispiel des multinationalen Soft- und Hardwareanbieters Microsoft sowie soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter, LinkedIn und Instagram erleichtern uns den sozialen aber auch den wissenschaftlichen Austausch enorm. Unternehmen und Forschungsinstitutionen haben das erkannt und nutzen webbasierte Technologien zu Marketing- aber auch Kommunikationszwecken ein, um  ihren Kunden näher zu sein. Allen Ortes steht die Zeichen auf Austausch, Dialog und Miteinander. Es gibt keinen besseren Nährboden für individuelles Glück, als die technologischen Innovationen unserer Zeit.

Von der biochemischen Grundlage der Freude bis hin zu den Wohlfahrtsnationen: Andere Menschen zählen!

Studen aus dem Gebiet positiven Psychologie halten in allen forschenden Institutionen Einzug. Es wird sich dabei immer mit der Frage befasst, was das Leben besonders lebenswert macht. Auch wenn Glücksforscher noch keine allgemeingültige Weltformel für das menschliche Glück gefunden haben, eines ist sicher: In allen Studien der positiven Psychologie wird betont, wie immens die Bedeutung anderer Menschen für unser persönliches Glück ist. Um uns in Zukunft von künstlichen Intelligenzen unterscheiden zu können, wird der Kern menschliche Glücks ein immer wichtigeres Thema werden.

Dies ist die Wiedergeburt aller Berufe, die den Menschen und den Austausch mit anderen zum Gegenstand haben. In den Sozial – und Geisteswissenschaften gilt das Wir-Gefühl und die enge Zusammenarbeit schon lange als Taktgeber für die menschliche Evolution.

Renaissance einer philosophischen alten Frage

Die globale Vernetzung und Kooperation wirft aber auch die Frage danach, was gerecht ist, neu auf. Wenn wir alle weltweit verbunden sind, braucht wir dann nicht auch ein gemeinsames Verständnis von Gerechtigkeit? Die Frage nach einer gerechten Gesellschaft beschäftigt Menschen seit Jahrtausenden und wurde von den verschiedensten Denkern unterschiedlich beantwortet. Denn Gerechtigkeit bedeutet mehr als das Urteil über richtig und falsch.

Wenn wir über Gerechtigkeit sprechen, geht es immer auch darum, wie viel Freiheit wir uns in unserem sozialen Miteinander gewähren und wie die Grenzen der Freiheit des einzelnen zu definieren sind. Aber auch darum, wie wir bestimmte menschliche Tugenden bewerten und ob wir manche von ihnen als wertvoller erachten als andere, sind bedeutende Fragen, wenn wir uns mit dem Thema Gerechtigkeit befassen wollen.

Die Stunde der Philosophen hat geschlagen

In den Medien werden heute häufig Philosophen und Sozialwissenschaftler aller Coleur zu ihren Ansichten befragt. Das ist nicht verwunderlich, denn die Technologien haben einen neuen Typ Mensch hervorgebracht – den „Homo Connectus“. Der Mensch, der sich mit allen anderen verbinden und in Kooperation gehen kann.

Dieser neue Typ Mensch wirft auch die Frage nach den Regeln des Zusammenwirkens und Kooperierens völlig neu auf. Unser Verständnis von Gerechtigkeit ist noch von formalen Normen bestimmt, die an nationalen Grenzen enden. Was hier als Recht gilt, ist an einem anderen Ort nicht legal. Doch diese nationalen Grenzen gelten nicht länger für das menschliche Zusammenwirken. Wir tauschen uns heute global aus.

Dies lässt sich an der Frage nach der Legitimation gleichgeschlechtlicher Beziehungen veranschaulichen: In manchen Staaten dürfen diese Menschen eine Ehe eingehen, in anderen Nationen gilt ihre Liebe als eine Straftat. Es gibt mit großer Wahrscheinlichkeit gleichgeschlechtliche Paare, deren Partner sich in globalen Internetforen trafen und dennoch national ganz unterschiedlichen gesetzlichen Regeln unterworfen sind. Während einer/r der beiden heiraten darf, muss der/die andere um seine Freiheit bangen. Dies, obwohl beide die gleiche Handlung vornahmen, nämlich sich im Internet zu verlieben.

Darum ist es vor dem Hintergrund einer globalen Gesellschaft hilfreich, unsere moralische Reflexion zu schulen und uns immer wieder mit philosophischen Positionen zu beschäftigen. Ob gerechte Handlungen am Allgemeinwohl aller, auf der Freiheit einzelner oder auf dem Ziel und Zweck der Handlung bemessen werden: Es gibt viele subjektive Meinungen, was gerecht ist, und es gilt, diese immer wieder abzuwägen.

Die Geschichte der Philosophie zeigt uns, dass die Antworten auf Fragen der Gerechtigkeit auch immer davon abhängen, in welcher Zeit und Kultur sie gestellt werden. In einer Welt, in der das  individuelle Glück der Menschen in den Mittelpunkt rückt, ist eine Auseinandersetzung mit der Frage, war global als gerecht gelten soll, elementar.

Eine Menschheit, die weltweit vernetzt ist, braucht auch ein Konsens darüber, war weltweit als gerecht gelten soll. Damit jeder von uns glücklich sein kann und die Welt als einen gerechten Ort erleben wird, ist die Auseinandersetzung mit den philosophischen Positionen der Gerechtigkeit zwingend.

Darum bedeutet die Geburt des weltweit vernetzten Menschen – desr Homo Connectus – gleichermaßen die Renaissance der Philosophie.